Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
Vom Netzwerk:
sah sie ihn, Czerwinski. Er stand neben ihr am Tresen, nur zwei leere Hocker dazwischen. Er gähnte und rieb sich die Augen, vermutlich wollte er heim.
    Nicht zu ihr, zur Henkel, das nicht. Sie war nur eine Kreatur, die sich krümmte, ein Stoß, ein Schlag und sie nahm es hin. Immer wieder dieses Bild, wie sie sich demütigen und bezwingen ließ, ein Stück Dreck, das sich tarnte mit Polizistengehabe.
    »Sind Sie zufrieden?« fragte er.
    Biggi wußte nicht, ob sie gemeint war. Vielleicht hatte sie ihn zu auffällig angeguckt.
    »Mit dem Zimmer?« Eiswürfel klirrten in seinem Glas. Mineralwasser war drin, eine Zitronenscheibe.
    »Ich brauche es nicht lange«, sagte sie; lauter, sie mußte lauter sprechen. »Es ist nur – daß ich Ruhe brauche. Etwas Ruhe. Zwischen den Konferenzen. Viel – viel zu tun. Viele Leute.«
    Er trank sein Wasser in einem Zug, dann gähnte er erneut, eigentlich gähnte er ihr mitten ins Gesicht. »Konferenzzimmer«, sagte er dann, »haben wir hier nicht.«
    »Nein, nein –« Biggi versuchte, das Weinglas zwischen den Fingern zu drehen und paßte auf, daß es nicht kippte. »Das ist woanders. Beim Fernsehen, ich arbeite da.«
    »Fernsehen.« Er winkte dem Barmann. »Ist eh nur Mist.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Ich guck rum und es gibt nur Scheiß.« Er redete mit leiser Stimme Und seine Augen fielen ihm fast zu, doch er redete und drehte sich nicht weg. Er stützte einen Arm auf die Theke und kam mit dem Oberkörper ein wenig näher heran. »Gibt nix Spannendes mehr. Schöne Filme seh ich gern. Gibt aber bloß noch so Zeug, als wär’s ’ne einzige Kinderstunde.«
    Sie nickte. »Aber man kann es verbessern, das – das machen wir.«
    »Ja, dann macht mal.« Er lachte und es klang ein bißchen abfällig, doch er blieb. »Könnte auch weniger Werbung sein, das regt mich auch immer so auf.«
    »Ja«, sagte sie, er hatte sie angesprochen, er war es gewesen. Er sah sie an. Sein Blick war ernst, nicht so herablassend, nein, so nicht. Mit ihm Spazierengehen, Sonntag nachmittag, wenn überall die Pärchen liefen, aufdringlich, als wäre die Welt für sie da.
    Mit Julia war sie spazierengegangen, und sie hatten sicher wie alte Tanten gewirkt und waren doch jung, Menschen, die nichts Besseres kannten als einander und einander gar nicht wollten.
    Er sah sie an, sein Blick ruhte auf ihr, so stand es in Romanen und das stimmte ja; er sagte: »Die machen ihre Programme bloß für die Werbung. Hab ich mal gelesen. Damit genug Werbung kommt, aber das wissen Sie ja besser.«
    »Ja«, sagte Biggi. »Das stimmt.« Er könnte viele Frauen haben, denn er war wie ein kleiner Prinz, schlank, mit breiten Schultern und schimmernden Augen unter dichten Wimpern. Vielleicht waren die Haare nicht frisch gewaschen, doch er konnte sie so tragen, länger. Bei Gabriel sahen die langen Haare albern aus, der war zu alt dafür. Sie sah auf sein Hemd, T. Czerwinski, wollte seinen Vornamen wissen, traute sich nicht zu fragen. Er war ganz anders als Martin, stark und schön. Wenn man das so sagen konnte – schön. Von weitem, durch das Fernglas, hatte man das gar nicht erkennen können.
    »Das stimmt«, sagte sie wieder. »Die Werbung –« Sie wußte nicht weiter. Lachhaft, daß ihr jetzt Martin in den Kopf kam, Martin Fried, an den sie nie denken wollte.
    Wir können doch zusammen essen gehen, hatte Martin gesagt.
    Wir können doch mal ins Kino.
    Im Sommer zum Schwimmen.
    Du bist allein, ich bin allein, warum sollen wir nicht – Das war unverschämt gewesen, beleidigend. Sie wollte keine arme Sau voller Komplexe, die ihr etwas vorjammerte und keinen kannte.
    »Wenn sie wenigstens noch lustig wäre«, sagte Czerwinski neben ihr. Er preßte das leere Glas gegen die Stirn. »Die Werbung, meine ich.«
    »Nein«, sagte Biggi, dann nickte sie, wollte unbedingt noch mehr sagen. Es gab Leute, die mit jedem gleich reden konnten, als wäre das nichts. Ihr fiel nichts ein, aber er wollte es doch, wollte mit ihr reden, stand da und sah sie an. Julia hatte so einen Mann nicht gekannt, doch sie hatte ihn gesucht, einen Engel gesucht, abends auf dem Sofa, mit diesen Zeitschriften auf den Knien und ihren albernen Ordnern mit den albernen Stars. Kontaktanzeigen formuliert, nie abgeschickt und manchmal doch und keiner war gekommen.
    »Nichts Gescheites dabei«, hatte sie dann gesagt, nichts Gescheites dabei. Sie hatte eine gemeine Stimme, diese Stimme manchmal noch im Ohr.
    Biggi schob ihr Glas hin und her und sagte: »Das schlimmste sind die

Weitere Kostenlose Bücher