Mimikry
hätte viel von ihrem Freund gesprochen. Einem Freund, der beim Fernsehen arbeitet.«
»Glaub ich nicht«, sagte Gabriel, er klang trotzig.
Biggi ging zwei Schritte zur Seite, zog ganz sacht an der Tür und konnte die Henkel da sitzen sehen. Sie sah Gabriel mit einem leichten Lächeln an, das ihn kleiner machte, ja, so war das, genauso hatte sie es schon einmal gemacht, Gabriel rutschte zusammen, sie wippte nur ein wenig mit dem Fuß. Er sollte achtgeben. Vielleicht wußte sie nicht, daß tausend traurige Frauen nach ihm gebrüllt hatten, als er einen Bambi überreicht bekam, frierende Frauen hatten draußen im Regen gestanden und zugeguckt, wie er aus dem Auto stieg. Das war eine Weile her. Damals hatte er eine Menge Werbeverträge gehabt, Biggi hatte das alles einmal auswendig gewußt. Das meiste war ausgelaufen und nicht verlängert worden, was er jetzt noch hatte, waren Spots für Katzenfutter und Rasierklingen. Früher hatte er tausend Briefe bekommen, Lieber Gabriel!. Vielleicht wußte die Henkel das alles und es war ihr egal. Weil sie stärker war als er.
Gabriel ließ seine Hand auf den Schenkel klatschen. »Was die sich zusammenphantasiert hat, ist pervers.«
»Herr Mosbach, das ist hier der Gang der Dinge.« Stockers Stimme war freundlicher als ihre. »Wenn Julia Bischof etwas notiert hat, in dem Sie, äh, vorkommen, und zwar nicht nur als, na ja, Idol, sondern ganz konkret, dann möchten wir Sie natürlich befragen.«
»Okay«, sagte Gabriel. »Aber machen Sie mich nicht verantwortlich für die Phantasien von der. Wenn ich sie näher gekannt hätte, warum sollte ich das nicht zugeben? Das Problem ist nur, ich habe sie nicht gekannt. Und das ist jetzt Ihr Problem, nicht meines.«
»Kümmern Sie sich mal nicht um unsere Probleme«, sagte Stocker. »Sie haben doch jeden Nachmittag so viele andere.«
»Das war eine neurotische Kuh«, sagte Gabriel. »Sie haben sie doch gerade gesehen. Es gibt immer wieder welche, die ausrasten. Lesen Sie doch mal die Briefe, die ich von denen kriege. Deren Leben ist leer, da phantasieren die sich was zusammen.« Er stand auf, umklammerte die Stuhllehne. »Was machen Sie jetzt, observieren Sie mich?«
»Meinen Sie, das ist nötig?« Die Henkel stand ebenfalls auf. Biggi ging von der Tür weg, weil sie sie sonst vielleicht gesehen hätte.
»Albern, albern.« Gabriel schnaufte, als wolle er ihr zeigen, wie lächerlich er alles fand.
Stocker sagte noch so etwas wie »Na ja«, als er sich verabschiedete, die Henkel sagte gar nichts mehr. Biggi wartete, bis sie weg waren.
»So eine dämliche Kuh.« Gabriel stand mitten im Zimmer. Er zündete eine Zigarette an, nahm zwei Züge, ließ die Glut leuchten. Er stieß den Rauch aus, schraubte seine Stimme in die Höhe, keifte: » Aber Sie kennen den Namen ihrer Katze, ja Gott, wie verdächtig! Was ist, haust du ab?« Er setzte sich halb auf Biggis Schreibtisch, ließ die Arme baumeln.
Sie ging zur Tür. »Ich hab noch einen Termin, bin spät dran.«
»Was hast du denn für einen Termin?«
Sie blieb kurz stehen, aber er sah nicht mehr in ihre Richtung.
An der Baustelle hinter dem Parkplatz holte sie den weißen Astra ein, die Henkel saß am Steuer. Sie fuhren nicht zum Präsidium zurück, machten wohl Feierabend. Dann stoppten sie plötzlich mitten auf der Kreuzung; Stocker stieg aus, rannte über die Straße, verschwand in einem Laden. Biggi zögerte. Hinter ihr hupte es, vorne fuhr der Astra wieder an. Er fuhr jetzt schneller, und Biggi spürte, wie die Angst zurückkroch, die Angst vor diesen Dingen, doch sie fuhr immer weiter, gerade so, daß sie die Rücklichter des weißen Wagens noch sah. Als er in eine Seitenstraße einbog, merkte sie, daß sie immer noch in der Innenstadt waren. Sie hörte wieder diese brüllende Rockmusik aus dem Astra, bevor der Motor erstarb, dann rutschte sie auf ihrem Sitz nach vorn.
Es war eine trostlose Straße. Eine Dönerbude, eine Tankstelle, graue Häuser. Satellitenschüsseln klebten an den Fenstern, Unterwäsche hing davor. Gegenüber ein Hotel, auf einer kaputten Leuchtreklame stand OLYMP.
In dem Astra rührte sich nichts. Ob sie jemanden observierte, aber wer sollte das sein? Kein Mensch war zu sehen, nur der Dönermann, der in seiner Bude gähnte. Als Biggi beschloß, bis zehn zu zählen, weil das vielleicht half, ging die Tür endlich auf. Die Henkel blinzelte die Straßenlampe an, als hätte sie etwas an den Augen. Sie stand eine Weile gegen den Wagen gelehnt, hielt den Kopf
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