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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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gesenkt. Sie sah nicht auf die Uhr, sah nirgendwohin, auf ihre Füße vielleicht. Man hätte sie jetzt abknallen können, Gangster hätten diese Chance genutzt. Ob sie selber eine Waffe trug? Sie mußten doch, diese Leute, oder nicht? Sie bekam eine Art Niesanfall, zog ihre Jeansjacke aus, dafür war es eigentlich zu kühl. Dann knallte sie die Fahrertür zu, schloß ab und ging langsam über die Straße. Sie sah jetzt wie eine junge Witwe aus, schwarzer Rock, dunkle Strümpfe, schwarzes T-Shirt, ein ähnliches, wie sie es damals getragen hatte, als sie Biggi – ja, was? – verhört hatte. Sie wußte, was schick war. Sie paßte in so ein Szenelokal.
    Sie ging auf das Hotel zu, warf die Jacke über die Schulter. Biggi traute sich nicht auszusteigen, verdrehte den Kopf und sah einen Mann aus dem Hotel kommen, ein schlanker Mann mit dunklem, halblangem Haar. Es sah so aus, als gingen sie aneinander vorbei, aber dann langte er nach ihrem Arm. Die Henkel ging zwei Schritte weiter, als wolle sie ihn abschütteln, drehte sich dann um und zog ihn am Gürtel zu sich hin. Der Mann sagte etwas, hob beide Hände und lachte laut, lachte wie ein Kind. Er mochte in ihrem Alter sein, und soweit Biggi sehen konnte, sah er ganz hübsch aus. Zu unbedeutend vielleicht. Nebeneinander gingen sie in das Hotel.
    Biggi rutschte auf ihrem Sitz wieder hoch. Es tat sich nichts weiter. Sie hatte auch Hunger, doch sie wußte ja nicht, wie sauber diese Dönerbude war, erstens. Zweitens aß sie nie auf der Straße. Es war dumm, allein auf der Straße zu stehen und zu essen. Sie glaubte, alle Leute starrten sie an und daß sie dann vergaß, wie man aß. Sie startete, fuhr langsam an dem weißen Astra vorbei, verließ diese Gegend.

17
    Czerwinski hob beide Hände und rief: »Hilfe, Polizei«, das sagte er zu oft. Es gab diese Leute, die ein Witzchen zehnmal rissen und es dann noch immer komisch fanden. Doch gab es auch Leute, die dabei so lächeln konnten, daß man ihnen gleich verzieh.
    Czerwinski mußte immer buchstabieren. Beim ersten Mal hatte er auf einem Besucherstuhl im Präsidium gesessen und gesagt: »Vorne mit Cäsar-Zacharias und hinten mit Ida.«
    Ina Henkel hatte das nicht begriffen und gefragt: »Und weiter?«
    »Nichts weiter«, hatte er gesagt, »nach Ida ist Schluß.« Seine Mutter buchstabierte immer so, Czerwinski fand das elegant.
    »Haben Sie auch einen Vornamen?« hatte sie gefragt, und er war eine Weile auf seinem Stuhl herumgerutscht, bevor er murmelte: »Eine Menge. Thomas, Josef, Henrik. Thomas eigentlich ohne h, meine Familie kommt aus Polen. Hier schreiben wir Thomas dann mit h. «Seine bernsteinfarbenen Augen waren wie Kinderaugen gewesen, ebenso sanft. »Aber die, die mich kennen, nennen mich Tom.«
    Er hatte nicht immer gearbeitet, jetzt war er Portier im Hotel Olymp. Bei der Einstellung hatte der Chef ihm erzählt, daß sie im Prinzip jeden nehmen würden, es wolle ja kein Mensch mehr hart arbeiten, schon gar nicht im Hotelgewerbe. Sie hatten kaum einen Blick auf seine Papiere geworfen, die ohnehin nur aus Personalausweis und Führerschein bestanden. Sie hatten gesagt, daß der Portier des Hotels Olymp erstens keine Uniform trug und zweitens auch in der Küche helfen mußte, und wenn es eng wurde mit dem Personal, drittens sogar auf den Klos. Es war schon eng geworden, Czerwinski hatte Kartoffeln geschält und Klos geputzt, dafür nahm er sich auch Zeit für außerordentliche Pausen. Wenn sie sich hier trafen, gab er dem Küchenhelfer zehn Mark, damit er ihn ablöste. Der Küchenhelfer mußte zwar auch die Klos schrubben, sollte aber eigentlich nicht an der Rezeption stehen, weil er nur zwei deutsche Worte konnte: »Mülleimer voll.« Das war so im Leben, hatte Czerwinski erzählt. Er hätte auch liebend gern eine Uniform getragen, doch sie hatten ihm ja keine gegeben. Er sagte gern, im Leben komme es erstens immer anders und zweitens, als man denke. Polizisten konnte er nicht leiden, jetzt fing er mit den Ausnahmen an. Man steckte halt nicht drin.
    Sie warf sich auf das knarrende Einzelbett, dessen fieses Geräusch ziemlich peinlich war, doch er sagte ja, kein Mensch komme hier vorbei, dieses einzelne Einzelzimmerchen, direkt neben der Küche, vermiete er nie. Manchmal war es mit ihm wie an drückenden Sommertagen, wenn sie die Arme hob und den Kopf in den Nacken warf, weil endlich ein Luftzug kam.
    Umständlich schloß er die Tür, drückte die Hand zweimal dagegen, um zu prüfen, ob sie auch wirklich geschlossen

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