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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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sagte Biggi. »Aber ich habe sie rausgenommen, damit Sie nicht denken, das Fax käme von Gabriel.«
    »Sehr vorausschauend.«
    Biggi räusperte sich. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
    »Sie mochten ihn nicht.« Die Henkel drehte sich zu ihr um, hinter ihr fing das Wasser an zu kochen.
    »Wen, Martin? Warum meinen Sie das? Ich kannte ihn doch kaum.«
    »Und Julia mochten Sie auch nicht besonders, oder?«
    »Doch, ich –« Biggi hob die Schultern. »Es war eine Bekannte.« Sie hatte nicht viel Ahnung vom Mögen und so. Oder vom Lieben, solchen Sachen.
    Die Henkel starrte sie an. »Ich möchte eine Liste von Leuten, die mit Fried in der Sendung waren. Name, Anschrift, was Sie haben. Und von Julia Bischof möchte ich auch so eine Liste, geht das? Können Sie so was machen?«
    Biggi nickte.
    »Und lassen Sie die Finger vom Fax, ja? Wir holen sie ab.«
    Biggi nickte wieder. Sie wartete noch einen Moment, doch sie sagte nichts mehr. Was wollte sie denn? Es war nicht wichtig, dieses Mögen, was immer es war, es hatte keine Bedeutung. Biggi mochte die Henkel auch nicht, aber sie mußte wissen, wie sie lebte, wie sie es anstellte, wie – da war ein Hall gewesen, als sie die Stufen herunterging, ein merkwürdiger Hall in ihrem Kopf. Sie blieb stehen, hielt sich am Geländer fest. Es war vielleicht das Klappern der Teekanne oben. Die Stimmen der Leute, ja. Zwei Männer und eine Frau waren zur Henkel in die kleine Küche gekommen, und alle hatten sie sofort angefangen herumzualbern. Sicher mußte die nur irgendwo stehen und die Leute kamen. Als ginge eine Clique ins Kino, so hörte sich das an.
    Biggi ging weiter, als jemand ihr entgegenkam. Im Kopf war es ein bißchen so wie sonst zu Hause in der Stille, alles summte.

28
    Alles war friedlich und still. Im Erdgeschoß wurde Bettzeug auf die Fensterbank gelegt, erst sah man Hände, dann einen Kopf. Eine alte Frau guckte heraus und prüfte den Himmel. Biggi sah hoch, zum Fenster im zweiten Stock. Die Henkel würde ihr Bettzeug nicht herauslegen, langsam bekam man ein Gefühl dafür. Es war eine merkwürdige Sitte, eine für ältere Leute.
    Es war ruhig in der Lenaustraße an diesem Samstagmorgen. In Biggis Gegend lärmten auch am Wochenende die Autos und es stank, hier nicht, hier konnte man Vögel hören. Die Baumkronen bewegten sich leicht im Wind, und die schönen alten Häuser schimmerten im Morgenlicht. Ein Mann und ein Pudel schlichen vorbei, sonst war niemand zu sehen, nur die Frau am Fenster.
    Biggi wartete. Ein ganzes Leben lang konnte man ausharren. Absitzen das Leben, vor dem Fernseher, auf dem Sofa, hinter irgendeinem Arbeitstisch, und dann ging es zu Ende und man hatte es gar nicht bemerkt. Solche Leute gab es, tot ein Leben lang, wie Julia, wie Martin, wie die Frau am Fenster vielleicht.
    Von weitem hätte man sie für eine Puppe halten können, abgestellt und ans Fensterbrett gelehnt. Doch sie atmete ja. Biggi legte das Fernglas weg, als sie erkennen konnte, wie der Atem der Frau die Scheibe beschlug. Einen Moment noch sah sie nach oben und alles verschwamm. Als die Henkel aus dem anderen Haus kam, hätte sie es fast nicht bemerkt.
    Sie war früh dran. Sie trug wieder die Leinenjacke, die Biggi sich selbst gekauft hatte, dazu eine schwarzweiß gemusterte Hose, und sie kam direkt auf Biggis Wagen zu.
    Man konnte nicht erkennen, wohin sie sah, ihre Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen, obwohl es so sonnig noch gar nicht war. Biggi umklammerte das Steuer und drehte sich weg, dann hörte sie die Henkel fragen: »Was ist denn jetzt wieder?« Sie stand einen Meter neben Biggis Fiat und hatte ihr den Rücken zugedreht, redete mit einer Frau, die zwei Tüten trug und zeterte. Das war alles so schnell gegangen, daß Biggi von der Frau zuerst nur Wortschnipsel hörte, es drehte sich um Musik, um Lärm, um dröhnende Bässe.
    »– eine Un verschämtheit«, sagte die Frau, anscheinend ihre Nachbarin. »Wir verstehen unser eigenes Wort nicht mehr, das ist doch keine Musik. «
    Biggi wäre verrückt geworden, hätte sie jemand auf der Straße so angebrüllt. Leute sahen zu und man kam sich klein und hilflos vor. Doch die Henkel blaffte zurück, hatte keine Angst und knickte nicht ein. Es schien einfach zu sein, sie sagte: »Ihre blöde Volksmusik hör ich doch auch, hab ich mich jemals beschwert?«
    » Wir machen das nicht so laut.«
    »Natürlich tun Sie das. Ich höre das Gejodel doch.«
    »Ich will Ihnen mal was sagen –« Aus dem Augenwinkel sah Biggi

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