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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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gekürzt, er hat keine guten Quoten mehr, und wenn es nicht besser wird, dann setzen sie sie ganz ab – weil er gerade jetzt auf gute Sendungen angewiesen ist, dachte ich, daß ich Martin mal frage, ob er noch mal mitmachen will. Seine Telefonnummer und Adresse hatte ich ja. Es war eigenmächtig, ich weiß. Es ist gar nicht meine Aufgabe, aber –« Sie räusperte sich, merkte, daß ihre Stimme anfing zu zittern, was verdammt noch mal immer so war, wenn sie soviel reden mußte, sie war das viele Reden nicht gewöhnt.
    Sie holte Luft. »Ich habe Wochen und Wochen versucht, Martin anzurufen, er ging nie ran. Dann dachte ich, vielleicht mag er nicht telefonieren, ich meine, es gibt ja Leute, die nicht gern telefonieren, und dann bin ich irgendwann hingefahren. Er hat nicht geöffnet. Und dann war das mit Julia, und ich bin wieder hin. Es war komisch, ich meine, ich hatte ein komisches Gefühl. Ein Mann ist rausgekommen, da bin ich hoch. Wir hatten bei seinen Angaben stehen, daß Martins Wohnung im ersten Stock von diesem Kasten ist, und, na ja, als ich vor seiner Tür war – es war komisch. Seltsam, meine ich. Ich habe es mal im Fernsehen gesehen, da haben sie gesagt, wenn jemand tot ist und lange liegt, daß er dann – Sie wissen schon. Wie es halt da gerochen hat, vor seiner Tür.«
    Sie sagten nichts, und Biggi mußte weiterreden. »Ich wußte jetzt nicht, ist Martin da drin oder ist er ausgezogen und ein anderer – aber sein Name stand ja noch da. Auf jeden Fall wollte ich das melden, und da habe ich halt das Fax geschickt. Nach der Sache mit Julia.« Sie schob die Finger ineinander, bis die Knöchel knackten. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er Wochen da gelegen hatte, so viele Wochen lang tot, etwas schnürte ihr den Atem ab, wenn sie daran dachte. So lange, so lange und kein Mensch hatte nach ihm gesehen.
    Die Henkel tastete nach ihrer Haarspange, es hatten sich wieder ein paar Strähnen gelöst. Sie ließ die Hand oben, daß sie den Kopf stützte, sah müde aus. Das mußte sie nerven, von diesen Leuten zu hören, die in ihren Behausungen verschimmelten. Leute, deren Tod wie ihr Leben war oder ihr Leben wie der Tod oder wie herum man das sehen wollte. So etwas kannte sie nicht. »Warum«, fragte sie Biggi und ihre Stimme war leise und tastend, »sind Sie denn so daran interessiert, daß der Mosbach gute Sendungen kriegt?«
    Biggi zupfte an ihrem Rocksaum. »Wenn sie seine Sendung absetzen, gibt es auch für mich weniger zu tun. Und wenn – ich meine, wenn ich dann Pech habe, verliere ich vielleicht die Arbeit oder die Stelle wird, Sie wissen schon, heruntergestuft.«
    Die Henkel sah sie nur an. Es interessierte sie nicht besonders, das merkte man. Ihre Pupillen waren wieder etwas größer als vorhin. Wenn sie etwas genommen hatte, war die Wirkung jetzt vorbei. Biggi fragte: »Konnten Sie sehen, woran er gestorben ist?« Doch sie antwortete nicht, wahrscheinlich durften sie auf solche Fragen gar nicht antworten. Sie stand auf und nahm ihre Teekanne. Sie knallte sie auf den Tisch zurück, als sie merkte, daß nichts mehr drin war.
    »Was können Sie noch über Martin Fried sagen?« fragte Stocker. »Kennen Sie Leute, die ihn kannten?«
    Biggi schüttelte den Kopf, holte Luft, und Stocker sagte: »Bitte«, als wolle er sie auffordern, weiterzureden, doch Biggi sah die Henkel an. »Wissen Sie, warum der so lange da lag? Das kann ich Ihnen sagen, er hatte niemanden. Der war aus lauter Angst zusammengesetzt, konnte einem noch nicht einmal die Hand geben. Vor der Sendung hat er gesagt, das wäre jetzt eine Mutprobe, daß er da raus ging. Sonst weiß ich nichts. Ich hatte keinen Umgang mit ihm, ich meine, nicht « – sie räusperte sich erneut – »mit solchen Leuten. Ich bin da ganz anders.«
    »Ja?« Die Henkel sah sie wieder an mit diesem reglosen Blick, und dann war sie so viel größer, man mußte aufstehen, wachsen, um hinzusehen.
    Biggi nickte, sagte: »Ja.«
    Die Henkel verließ das Zimmer, ließ die Tür offen. Stocker lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
    Sie war draußen, als Biggi zur Treppe kam, stand in einer Küchennische und schüttete neue Teeblätter in die Kanne. Sie hatte ihr den Rücken zugedreht; Biggi sagte: »Auf Wiedersehen.«
    »Haben Sie die Kennung rausgemacht?«
    »Bitte?«
    »Sie haben das Fax vom Büro aus geschickt.«
    »Ja«, sagte Biggi.
    »Wenn’s ein geschäftliches Fax ist, hat’s doch eine Kennung, nein? Oben die Zeile mit Name und Faxnummer.«
    »Doch«,

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