Mina (German Edition)
richtig. Eulen, Geschöpfe der Träume und der Nacht, wohnten in ihrem Haus!
„Bequem ist das nicht“, beklagte sich ihre Mutter. „Meine Knie tun weh. Wie dämlich muss man sein, um sich auf so etwas einzulassen, wenn man doch viel vernünftigere Sachen tun kann?“
„So dämlich wie du“, sagte Mina. „Aber es dauert nicht mehr lange.“
Die Schatten auf dem Dachboden wurden dunkler. Der Himmel vor dem Fenster wurde orange, rot, dann tintenblau, und dann überzog ein silbriger Schimmer aus Mondlicht die Welt. Sie lagen ganz still. Atmeten leise.
„Es sind Vögel der Weisheit“, flüsterte Mama. „Sie stehen für das Erspüren von verborgenen, geheimen Dingen.“
„Also sollten wir froh sein, sie in unserem Haus zu haben.“
„Ja, wir sollten froh sein.“
Sie schauten und warteten, und dann klopften ihre Herzen schneller. Im Nest rührte sich etwas. Ein Rascheln von Federn, ein plötzlicher, gedämpfter Schrei.
Mina und ihre Mutter keuchten auf. Ein Vogel stand in dem Loch in der Wand: dunkle Federn, glänzende Augen. Sie sahen, wie er den Kopf drehte. Dann tauchte ein zweiter Vogel auf. Mama hielt die Tür an der Kante fest, bereit, sie zuzuschlagen. Wieder ertönte dieser gedämpfte Schrei, und dann erhoben sich die Vögel in die Luft. Sie waren riesig, wie sie da auf dem Dachboden einen Kreis beschrieben. Einen Moment lang saßen sie nebeneinander im Mondlicht auf dem Fensterbrett. Dann breiteten sie erneut ihre Schwingen aus und flogen hinaus in die Nacht.
Mina und ihre Mutter kamen auf die Füße. Sie keuchten und kicherten vor lauter Aufregung.
„Außergewöhnlich“, flüsterte Mina, und irgendwo in der Ferne schrie eine Eule.
Huu. Hu-huuu. Hu-huuu.
„Wir lassen das Fenster so, wie es ist“, sagte Mama.
„Nein, werden wir nicht“, sagte Mina. Sie hob einen zerbrochenen Backstein vom Boden auf, ging zum Fenster und schlug das verbliebene Glas aus dem Rahmen, machte die Öffnung für die Vögel breiter und sicherer. Sie blickte nach draußen. Sie stellte sich vor, sich mit einem Sprung in die Luft zu erheben, wie die Vögel es taten, wie Ikarus es getan hatte, in einer Geschichte aus alter Zeit. Sie stellte sich vor, wie sie die Schwingen ausbreiten würde, während sie über die Stadt dahinschwebte.
Dann verließen sie den Dachboden. Auf der Treppe fühlte Mina, wie sich etwas zwischen ihren Füßen hindurchschlängelte.
„Oh!“, keuchte sie auf und lächelte dann.
„Wer ist denn das?“, fragte Mama.
„Mein kleiner Freund“, sagte Mina. „Ich habe ihn Wisper genannt.“
Später, zu Hause am Küchentisch, formte Mina kleine Eulen aus schwerem Ton und legte sie auf die Tischplatte. Sie weichte das Gewölle in einer Schale mit warmem Wasser auf. Sie löste die Hautfetzen, das Fell und die Knochen voneinander. Sie legte die Reste der Maus oder des Maulwurfs auf den Tisch. Was es auch einmal gewesen sein mochte, es war immer noch wunderschön, so geheimnisvoll. Es war lebendig gewesen, war von einer Eule getötet worden, war in der Eule gewesen und nun wieder draußen. Es war zwischen Minas Fingern, auf ihrer Handfläche, auf dem Tisch neben der Tonfigur einer Eule. Später, in ihren Träumen, erschuf sie Eulen, so leicht wie Geister, und sie flog mit ihnen in die Nacht davon.
EULE
Du fliegst in die samtene Nacht.
Du siehst, was niemand sieht.
Du hörst, was niemand hört.
Leih mir deine Federn,
deine Knochen, deine Schwingen.
Leih mir deine Augen,
deine Ohren, deine Klauen.
Leih mir das Herz,
zu fliegen wie du,
hinaus in die herrliche Nacht.
Prüfungstag, Heddeldiduddel und Giggemol!
Es war immer das Schreiben, das mir Ärger mit Mrs Scullery einbrachte. Sie meinte, ich würde sie noch in den Wahnsinn treiben.
„Du könntest eine der besten Schülerinnen deiner Klassenstufe sein, Mina McKee – nein, sogar eine der besten, die ich je hatte. Aber du bist eine ständige Enttäuschung! Du lässt die Schule im Stich, du lässt deine arme Mutter im Stich, und am meisten lässt du DICH SELBST im Stich, wieder und wieder und wieder. Du bist ein dummes, eigenwilliges und undiszipliniertes Kind. Statt dich auf deine Aufgaben zu konzentrieren, vergeudest du deine Zeit, spielst nur herum und versuchst, auf dich und deine Marotten aufmerksam zu machen!“
Ich auf mich aufmerksam machen? Das war so ungefähr das Letzte, woran mir gelegen war. Ich wollte verschwinden. Ich wollte überhaupt nicht da sein.
Der Tag, an dem das Fass überlief, war der Prüfungstag. Der PRÜFUNG
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