Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
im ganzen Haus nach Rosen duften.
Auf einmal drang
Katjas energisches Geschrei aus dem Wohnzimmer in den Garten. Die süße Kleine
war also aufgewacht, dachte Nell schmunzelnd. Sie warf einen Blick zum rasch
dunkler werdenden Himmel. Es sah aus, als würde ein Gewitter
aufziehen. Rasch sammelte sie ihre Gartenutensilien zusammen. Es würde bald zu
regnen anfangen, und sicher würde es wieder kühler werden in der Nacht. Besser,
wenn sie jetzt gleich ein paar Decken heraussuchte, damit es den Kindern nicht
kalt wurde.
Die Gartenschere in
der Hand, warf sie einen sehnsüchtigen Blick zu dem schmalen, ungepflasterten
Pfad, der zum Dorfplatz führte.
Immer noch kein Anzeichen von Mikhail.
Wo blieb er bloß?
Aber sie wusste, dass er seinen Neffen und seine Nichte nie im Stich lassen
würde. Sie hatte lange genug draußen auf ihn gewartet: Es wurde Zeit reinzugehen.
»Was für ein dummes
Frauenzimmer du doch bist«, schalt sie sich selbst, »schnippelst stundenlang an
ein paar Rosenbüschen herum, bloß um hier draußen auf einen Mann zu warten, der
sich ohnehin bald wieder aus dem Staub machen wird ...«
»Nell?«
Nell fiel vor Schreck
die Gartenschere aus der Hand. Sie wirbelte herum und sah Mikhail durchs Gatter
hereinkommen.
»Hallo«, stammelte
sie und bückte sich, um ihr heruntergefallenes Werkzeug aufzuheben. Dabei
überlegte sie fieberhaft, was sie sagen sollte. Warum machte er sie so nervös?
Ja, warum wohl? Weil er sie vor dem Kaufladen geküsst und in der Küche ein
Tänzchen mit ihr aufgeführt hatte] Weil er sie ansah, als ... als würde er sie
begehren. Einfach lächerlich! Sie schnaubte.
Aber was hatte er
gestern zu ihr gesagt? Wie lange glaubst du, dass ich mich noch
von dir fernhalten kann?
»Nell?«
Nell richtete sich
erschrocken auf und hätte beinahe erneut die Gartenschere fallengelassen. Er
stand so dicht vor ihr!
»Meine Güte, du bist
heute aber schreckhaft«, sagte er lächelnd.
»Ja ... Nein ... Kann
sein. Ich ...Du hast mich erschreckt, das ist alles.« Hochrot vor Verlegenheit
wandte sie sich von ihm ab und ging aufs Haus zu. »Ich hatte niemanden
erwartet«, fügte sie hinzu.
Er folgte ihr, als
sie durch den Garten schritt.
»Schade, denn ich
habe dich vermisst.«
Ihr Herz machte einen
Satz. »Unsinn!«, stammelte sie. Stirnrunzelnd betrat sie das Wohnzimmer. Im
Kamin brannte ein Feuer, aber von den Kindern war nichts zu sehen. Morag hatte
sie wahrscheinlich mit nach oben genommen. »Du hast mich doch erst heute früh
gesehen.«
Mikhail legte seine
Papiere und Bücher auf einem kleinen Tischchen am Fenster ab und trat dann auf
sie zu. »Ja, seltsam, nicht? Aber es stimmt. Ich stelle fest, dass ich nicht
gerne ohne dich bin.«
Nell versuchte ganz
ruhig zu atmen, aber das war schwer, wenn man mit einem so glühendem Blick
angeschaut wurde. Blinzelnd rang sie sich ein Lächeln ab.
»Hattest du einen
schönen Tag?«
Bei dieser Frage ließ
die Hitze in seinen Augen zwar ein wenig nach, aber er trat noch einen Schritt
näher und schlang unversehens seinen Arm um ihre Taille. Nell fiel auf, wie groß er war. Ihr
Kopf reichte ihm nur bis zur Schulter. Warum war ihr das
vorher nie aufgefallen?
»Es war wunderbar,
ich bin selbst überrascht«, sagte er im Plauderton. Bei den Augen der Medusa!
Er wollte also in dieser Stellung mit ihr schwatzen? Nell versuchte sich zu entspannen. Mikhail
war so ziemlich der ungewöhnlichste Mann, der ihr je untergekommen war.
»Nach dem Unterricht
hatte ich allerdings noch eine kleine Unterhaltung, die dich interessieren
könnte.«
»Ach ja?« Ihre
Neugier half ihr, ein wenig besser mit seiner betörenden Nähe fertig zu werden.
»Ja. Wie es scheint,
ist Georgina Williamson der Ansicht, du wärest böse auf sie. Sie erzählte mir,
dass du nicht mehr mit ihr redest, und bat mich, dir auszurichten, dass es ihr
leidtut. Du bist doch nicht wirklich böse auf das Mädchen, oder?«
Georgina. Nell schloss kurz
die Augen. Sie hatte das Mädchen einfach im Stich gelassen. Und jetzt glaubte sie,
sie wäre böse auf sie ... Aber nach der Sache mit George hatte sie einfach
nicht mehr klar denken können. Und zur Farm konnte sie jetzt natürlich auch
nicht mehr gehen, um Georgina zu besuchen.
»Ich bin ein
schrecklicher Mensch«, stöhnte sie.
Sie versuchte sich
von Mikhail loszumachen, doch der hielt sie nur umso fester. »Nein, bist du
nicht. Ist doch nur natürlich, dass du die Williamsons gemieden hast, nach
allem, was ...«
»Das ist
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