Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
protestieren, doch dann nickte er. »Ich hatte sowieso nicht zu hoffen
gewagt, dass du zu mir zurückkommen würdest, Storm. Ich wollte nur, dass du die
Wahrheit erfährst. Du verdienst es, die Wahrheit zu wissen.«
Und mit diesen Worten
wandte sich ihre Jugendliebe von ihr ab und schritt über den schmalen,
gepflegten Pfad zum Gartentürchen. Die Hände in ihre Schürze verkrallt blickte
Nell ihm nach, wie er mit gebeugten Schultern in Richtung Dorf verschwand. Die
Zeit schien sich zu verlangsamen, kam zum Stillstand. Die weißen
Schäfchenwolken zogen nicht länger über den blauen Himmel, und die Blätter
hörten auf, in der warmen Sommerbrise zu flattern.
Mikhail blickte auf
Mitja und Katja herab, die in Morags Zimmer auf dem Fußboden saßen und sich um
ein Kissen balgten. Da Morag nirgends zu sehen war, blieb er stehen wo er war
und versuchte nicht daran zu denken, wie seine Nell sich von diesem Bastard
George hatte küssen lassen.
Aber sie war gar
nicht seine Nell, oder? Mikhail ballte die Fäuste.
Als er heute früh aufgewacht
war und den Platz neben sich leer gefunden hatte, war er sehr enttäuscht
gewesen. Er hatte Nell versichern wollen, wie wunderbar er sie fand, wie
glücklich sie ihn machte und dass er sich auch nach Ablauf dieses Monats nicht
von ihr trennen wollte. Aber da sie nicht da gewesen war, hatte er all diese
Gedanken für sich behalten müssen. Und so unglaublich es ihm vorkam, diese eine
Nacht hatte seine Sehnsucht nach ihr keineswegs stillen können. Er war
aufgestanden und hatte sich auf die Suche nach ihr gemacht, in der Hoffnung,
sie wieder ins Bett zurücklocken zu können.
Was war er bloß für
ein Narr.
Mikhail wünschte, er
hätte Georges Geständnisse nie gehört. Er wünschte, er wäre seinem ersten
zornigen Impuls gefolgt und hätte dem Kerl den Kragen umgedreht! Schließlich
hatte er jedes Recht dazu: In den Augen dieses Mannes war er mit Nell
verheiratet! Aber er konnte nicht. Denn das Einzige, was er sich noch mehr
wünschte als Nell selbst, war, sie glücklich zu sehen. Und es schien, als ob
sie George noch immer liebte.
Wie er ihn hasste.
In diesem Moment riss
Katja Mitja das Kissen weg, und dieser brach prompt in Geschrei aus. Als Katja
das sah, begann sie ebenfalls zu weinen, wie immer, wenn ihrem Cousin etwas
fehlte.
»Na, na, wer wird
denn gleich weinen.« Mikhail ging bei den beiden in die Hocke und gab ihnen das
Kissen zurück, doch die Kleinen hatten das Interesse an dem Gegenstand
verloren.
Er überlegte gerade,
was er tun könnte, um die Kinder zu beruhigen, als er jemanden die Treppe
hinaufrennen hörte. Alarmiert nahm er die Kinder auf den Arm und blickte sich
in dem Moment zur Tür um, als Nell hereingeschossen kam.
»Wir müssen sofort
von hier weg!«
Sie nahm ihm Katja ab
und hielt dem Baby den Mund zu, um sein Geschrei zu dämpfen. Mikhail tat es ihr
automatisch mit Mitja nach. Er musste an den Vorfall auf dem Schiff denken. Das
Einzige, was er sagte, war: »Wohin?«
Nell antwortete
nicht, sie rannte einfach die Treppe hinunter und zur Hintertür hinaus. Mikhail
war ihr dicht auf den Fersen. Sie durchquerten den Garten und verschwanden
unter den Bäumen, die das Grundstück umsäumten. Als sie im Schatten einer
riesigen alten Eiche kurz innehielten, um Atem zu schöpfen, hatten die Kinder
glücklicherweise zu weinen aufgehört.
Nell schaute keuchend
zum Haus zurück. Sie schien sich zu konzentrieren, ihre Augen wurden schmal.
»Sie sind bereits im
Haus! Schnell, weiter!«
Mikhail folgte ihr.
Immer im Schatten der Bäume rannten sie abseits der Straße auf das Dorf zu.
»Sie kommen, wir
müssen uns verstecken!«, stieß Nell fast hysterisch vor Angst hervor. Mikhail
nahm ihr Katja ab und schaute sich um. Vor ihnen lag der Dorfanger. Es war zwar
noch früh am Morgen, dennoch waren bereits einige Leute unterwegs. Dann sah er
das, worauf er gehofft hatte: ein Schild im Kaufladen mit der Aufschrift
»geöffnet«.
»Komm, mir nach!«,
befahl er und rannte die Straße entlang auf den Kaufladen zu. Er riss die Türe
auf und stürmte an der verblüfften Sarah und zwei Kundinnen vorbei auf die
Theke zu, Nell dicht hinter sich. Adam starrte ihnen mit großen Augen entgegen.
»Schnell, wir müssen
uns verstecken!«, sagte er zu dem Mann und blickte sich nach Nell um, die mit
schmalen Augen aus dem Schaufenster starrte. Als Adam zögerte, fuhr Nell aus
ihrer Versunkenheit auf und stieß verzweifelt hervor: »Bitte, wir haben keine
Zeit zu verlieren.«
Es
Weitere Kostenlose Bücher