Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
war Sarah, die
zuerst reagierte. Mit ausgebreiteten Armen scheuchte sie die beiden hinter die
Theke und durch eine Tür, die auf einen kurzen Korridor führte.
»Seid still«, befahl
sie.
Mikhail wollte ihr
danken, aber sie machte bereits die Tür hinter sich zu. Die Türglocke schellte,
und jemand schien den Laden zu betreten. Mikhail und Nell lauschten mit
angehaltenem Atem. Nell hatte Mikhail Katja wieder abgenommen, beide hielten
den Kindern abermals vorsichtshalber den Mund zu.
»Guten Morgen«,
hörten sie Adam sagen, »was kann ich für Sie tun?«
»Wir suchen nach
einem Mann, einer Frau und zwei Kindern«, sagte eine raue Männerstimme in
bedrohlichem Ton.
»Ach ja? Nun, wir
haben heute Morgen nur diese zwei reizenden Kundinnen im Laden.«
Mikhail stupste Nell
mit dem Fuß an und begann laut los von der Tür zurückzuweichen. Wenn
dieser Mann da draußen ein Vampir war, würde er Adams Gedanken lesen und
schnell genug herausfinden, wo sie waren. Sie mussten schleunigst weg von hier.
Eine steile Treppe
führte ins obere Stockwerk, doch am Ende des Korridors konnte Mikhail im
Halbdunkel eine Hintertür erkennen.
»Komm«, flüsterte er
Nell zu, aber die schüttelte heftig den Kopf »Nein, sie sind zu dritt. Einer bewacht
den Hinterausgang. Warte.«
Sie schlüpfte an ihm
vorbei, trat an die Hintertür und zog leise den Schlüssel aus dem Schloss. Dann
spähte sie kurz durchs Schlüsselloch. Katja an ihre Brust gedrückt, wandte sich
Nell wieder zu Mikhail um. Sie begann lautlos zu zählen. Was machte sie da? Und
woher wusste sie, dass draußen ein Mann stand? Aber er wartete stumm ab,
während sein Blick unruhig zwischen Vorder- und Hintertür hin und her wanderte.
Es konnten keine Vampire sein, sonst wären sie längst entdeckt worden. Aber
gegen drei kampferprobte Vampirjäger hätten sie ebenfalls keine Chance, vor
allem weil er unbewaffnet war. Er schaute sich um, aber auch jetzt fand er
nichts, womit er sich, Nell und die Kinder hätte verteidigen können. Verdammt,
er fühlte sich so hilflos. Wenn er doch bloß eine Pistole gehabt hätte ...
Nell zählte noch
immer stumm vor sich hin. Ihr Mund formte die Zahl sechzehn.
Sie mussten sich
verstecken. Er könnte sie vielleicht lange genug aufhalten, um Nell und den
Kindern die Chance zu geben, sich oben in der Wohnung zu verstecken. Aber wer
würde sie beschützen, wenn sie ihn besiegt hätten?
»Rasch«, flüsterte
Nell und riss die Hintertür auf. Hatte sie nicht gesagt, dass dort ein Mann
Wache stand? Kampfbereit trat Mikhail hinter ihr auf den Hof hinaus. Aber die
Straße hinter dem Laden lag verlassen da; nur ein Pferdekarren kam langsam
angefahren. Erleichtert ließ er den Blick über die umliegenden Häuser
schweifen. Ob man ihnen dort Unterschlupf gewähren würde? Unwahrscheinlich. Sie
mussten weg von hier, so schnell wie möglich. Zurück zum Cottage? Das hatten
die Kerle bereits durchsucht, da würde man sie wahrscheinlich nicht vermuten.
Aber sein Instinkt sprach vehement dagegen. Nein, sie mussten das Dorf
verlassen.
»Komm Nell, wir
müssen weiter«, drängte er, packte sie am Arm und versuchte sie nach links
fortzuziehen, aber sie blieb stehen. »Nein, warte!« Nell zog ihn in die
entgegengesetzte Richtung. »Schau, der Karren!«
Erst jetzt erkannte
Mikhail, wer auf diesem Karren saß und das Pferd lenkte: Morag! Ein unmöglicher
Zufall, wie er fand, aber darüber nachzudenken, blieb jetzt keine Zeit. Sie
rannten auf den Karren zu. Morag zog an den Zügeln und deutete auf die
Ladefläche, auf der unter einer hellen Plane einige Heuballen hervorschauten.
Ohne Zögern nahm Mikhail Nell die Kleine ab, damit sie auf den Wagen klettern
konnte. Dann reichte er ihr beide Kinder und kletterte hinterher.
Sie passten gerade so
zwischen die Heuballen. Mikhail zog sorgfältig die Plane über sie alle und
machte sie am Karrenrand fest. Dieser hatte sich bereits in Bewegung gesetzt.
Mikhail hielt den Atem an. Blieb nur noch zu hoffen, dass sie unbemerkt aus dem
Dorf herauskamen.
Als er sich zu Nell
umdrehte, die beide Kinder auf dem Schoß hatte, fiel ihm auf, dass sie diese
mit derselben Konzentration musterte, die er zuvor schon ein paarmal bei ihr
bemerkt hatte. Dann stieß sie einen erleichterten Seufzer aus und ließ ihren
Kopf an seine Schulter sinken.
»Wir werden unbemerkt
aus dem Dorf herauskommen«, sagte sie müde und zog die Kinder fester an sich.
Woher konnte sie das
wissen? Und wieso glaubte er ihr? Zum ersten Mal erlaubte er
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