Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
fähiger Männer auf Shelton Hall, die mir
beistehen werden.« Mikhail lächelte sie an, aber das konnte ihre Ängste nicht
beschwichtigen. Wenn Mikhail sich und seiner Männer so sicher war, warum
schickte er sie und die Kinder dann weg?
»Und wohin sollen
wir?«
»Ihr fahrt zum Haus
meiner Schwester. Ihr Mann wird euch beschützen.«
»Ich verstehe ...«
Und das tat sie. Er wollte sein Leben fur sie und die Kinder riskieren, um
ihnen einen Vorsprung zu verschaffen. Und es gab nichts, das sie sagen konnte,
um ihn umzustimmen. Sie versuchte eine andere Taktik. »Und was ist, wenn wir es
nicht bis London schaffen? Wenn sie nicht auf den Schwindel hereinfallen? Wäre
es nicht sicherer für uns, bei dir zu bleiben?«
Mikhail zog an den
Zügeln, brachte den Karren vor der Poststation zum Halten. Dann schaute er sie
an.
»Ihr werdet London
wohlbehalten erreichen, Nell.«
Er legte seine Hand
an ihre Wange und Nell zuckte ein wenig zusammen. Sie spürte, wie ihr die
Tränen kamen. Sie legte ihre Hand auf die seine und schloss kurz die Augen.
»Wie kannst du da so
sicher sein?«
»Ich bin mir sicher,
Nell, weil ich weiß, wie klug und tapfer du bist.« Er legte den Finger unter
ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. In seinen blauen Augen stand keinerlei
Anschuldigung, keinerlei Vorwurf. Mit einem Ausdruck von Dankbarkeit flüsterte
er: »Und weil du ein Talent hast, das es dir ermöglicht, Dinge zu sehen, bevor
sie geschehen.«
21. Kapitel
Die Kerzen warfen
flackernde Schatten über die goldverzierten Möbel und die kostbaren
Berberteppiche, mit denen das private Empfangszimmer ausgestattet war. Patrick
war schon einmal hier gewesen, hatte sich mit der Gastgeberin die Zeit
vertrieben, aber das war lange, bevor er seine Frau kennen gelernt hatte.
Vielleicht war das der Grund, warum heftige Schuldgefühle an ihm nagten, als nun
sein Blick auf die beiden Knaben fiel, die sich ängstlich hinter einen Diwan
kauerten. Beide waren beinahe nackt, trugen lediglich etwas, das wie ein
Lendenschurz aussah, und beide trugen eiserne Fußfesseln. Sie konnten nicht
älter sein als höchstens sechzehn, Opfer eines krankhaften Appetits.
Angetrieben von
seinem Rachedurst, begannen seine Fangzähne zu wachsen, bohrten sich in seine
Unterlippe. Es roch nach Angstschweiß, Blut und Sex. Der Angstgeruch kam von
den Knaben, die ihm nicht in die Augen schauen konnten. Und die anderen Gerüche
kamen aus dem Nachbarzimmer, dem Schlafgemach, wie er wusste.
Dafür würde Rosalyn
bezahlen. Sie hatte ihren Eid verraten. Sie hatte diesen Jungen und wer weiß
wie vielen anderen Schreckliches angetan. Dafür musste sie bestraft werden. Und
er, Patrick, litt darunter. Denn er kannte sie er war ihr Clanführer ... Er
hätte es wissen müssen. Er hätte spüren müssen, dass etwas nicht stimmte.
Eine Bewegung hinter
ihm kündigte die Ankunft von Ismail an. Als dieser die kauernden Knaben
erblickte, nahmen seine Augen einen dunklen, bedrohlichen Ausdruck an. Er
wollte etwas sagen, doch Patrick legte den Finger auf die Lippen und wies auf
die Innentür. Ismail fletschte die Zähne, nickte aber und deutete zuerst auf
die Jungen, dann auf seinen Kopf. Patrick verstand: Die Knaben mussten
fortgebracht werden, und dann sollte jemand das Erlebte aus ihrem Gedächtnis
löschen, damit man sie nach Hause schicken konnte.
Mit einem
freundlicheren Ausdruck trat Ismail auf die Knaben zu, die Hände in einer Geste
des Friedens ausgebreitet. Die Knaben duckten sich erschreckt, und einer von
ihnen wimmerte wie ein verletztes Tier. Patrick dagegen schritt lautlos auf die
Innentür zu, dorthin, von wo der Blutgeruch kam. Seine Haltung war täuschend
locker. An der Türe befanden sich Schnitzereien von Putten, eine Analogie,
deren Ironie Patrick keineswegs entging. Lautlos stieß er die Tür auf und ließ
den Blick über die vor ihm liegende Szene schweifen.
Die beiden nackten
Vampire waren über einen dritten Jungen gebeugt und saugten ihm gierig das Blut
aus. Patrick schnupperte. Der Junge war bereits tot, wie er erkannte; das
gierig saugende Paar war fast am Ende.
Patrick spannte die
Muskeln unter seinem dunklen Mantel an und handelte dann ohne Vorwarnung. Die
beiden waren die Letzten auf der Liste derer, die Delphine ihm unter Zwang
genannt hatte. Und es bestand keinerlei Zweifel an der Schuld des Pärchens, ebenso wenig
wie an der
Schuld der anderen.
Solche Monster hatten in
seinem Clan nichts zu suchen. Sie hatten auf dieser Welt nichts zu suchen.
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