Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
loyal und verschwiegen.«
Und das stimmte. Er
hatte in den letzten Wochen mehrmals versucht, einen von ihnen zum Reden zu
bringen, aber nicht einmal der einfachste Küchenjunge ließ sich bestechen, wie
David sich unwillig, aber mit wachsendem Respekt vor dem Geschwisterpaar, dem
die Residenz gehörte, eingestehen musste.
Zu schade, dass er
einen von ihnen umlegen musste.
»Behalt das Haus im
Auge und deinen Hintern im Schatten«, befahl er und ließ den Mann mit einem
Schubs los. Zum Teufel mit ihm! Soeben überquerten zwei Pferdeknechte den Hof
und verschwanden in einem der beiden Ställe. Davids Blick huschte über die
Fassade des Herrenhauses: zwanzig Fenster und kein Mensch zu sehen. Das war
ungewöhnlich. Er vermutete, dass Belanow sein gesamtes Personal zusammengerufen
hatte. Verdammt, er wünschte, er wüsste, was er zu ihnen sagte. Dinnermenüs?
Sonstigen Wirtschaftskram? Er brauchte unbedingt einen Spion im Haus.
Seine Aufmerksamkeit
wurde auf die Seitentür gelenkt, wo soeben zwei Dienstmägde aus der Küche
traten, jede mit einem Korb in der Hand. Ihre Gesichtszüge konnte er nicht
erkennen, denn sie trugen Kopftücher. Wahrscheinlich gingen sie einkaufen. Zum
Markt. Eigentlich viel zu früh dafür. Seltsam. Aber mit der Rückkehr des Herrn
geriet natürlich auch die sonstige Routine durcheinander.
»Was glaubst du, was
er angestellt hat?«, wollte Ralph wissen.
»Wer?«, fragte David
zerstreut und beobachtete, wie in diesem Moment ein Pferdekarren vorfuhr und
vor den Dienstmägden anhielt. Zwei Kutscher? Warum zwei? »Wahrscheinlich werden
sie besonders viel einkaufen«, murmelte er.
»Hä?«
»Nichts. Also, was
willst du?«
Ralph machte eine
beleidigte Miene, aber dann wiederholte er: »Hab bloß überlegt, was er wohl
angestellt hat, der feine Pinkel, dass wir ihn umnieten sollen.«
Nach Davids Erfahrung
musste man gar nichts angestellt haben, um mörderischen Neid zu erregen, man
brauchte bloß etwas zu besitzen, das ein anderer haben wollte.
»Was spielt das für
eine Rolle?«
Aber Ralph fuhr fort
zu spekulieren, ohne sich von der abweisenden Reaktion seines Kumpanen
abschrecken zu lassen. »Muss dem Livingston wohl seine Frau weggenommen haben,
das muss es sein. Warum hat er uns sonst befohlen, das Weib und die Kinder zu
schnappen?« Zufrieden grinsend über seine intelligente Schlussfolgerung, zog
Ralph ein gefährlich scharfes Messer aus seiner Hosentasche und begann sich den
Dreck unter den Nägeln herauszupulen.
David spuckte
verächtlich aus. »Das sind doch keine Livingstons. Unser Mr. Livingston ist
doch selbst bloß 'n Mittelsmann. Die haben ihn angeheuert, so wie er uns. Damit
wir, wenn sie uns kriegen sollten, den großen Oberboss nicht verpfeifen können,
der hinter allem steckt.«
»Ach ja, und woher
willst du das wissen?«, höhnte Ralph.
»Mr. Livingston. Er
redet so komisch, ist dir das noch nie aufgefallen? Der tut nur so, als wäre er
ein feiner Pinkel. Aber wenn er wütend wird, verrät er sich, dann flucht er wie
ein Bierkutscher. Der ist nicht anders als wir, hat bloß feinere Sachen an.
Aber der hat sich sein Geld erschwindelt, da kannst du Gift drauf nehmen!«
Das Knacken von Ästen
ließ David blitzschnell herumfahren und sein Messer zücken. Aber als er sah,
wer da kam, steckte er seine Waffe wieder weg. Diese drei hatte er kurz bei
Livingston gesehen. Langsam traten sie näher.
»Ist er da?«, fragte
einer der drei, ein Glatzköpfiger. Sein herrischer Ton gefiel David gar nicht.
»Ihr seid ihnen also
gefolgt, was?« Er schaute den Glatzkopf durchdringend an. Falls der Bastard
glaubte, ihn mit seiner Statur einschüchtern zu können, täuschte er sich. Dem
hätte er das Messer in den Bauch gerammt, bevor er »Warum?« fragen konnte.
»Wir haben sie fast
gehabt, vor zwei Tagen. Aber dann sind sie uns doch entkommen«, gestand ein
anderer, mit einem vernarbten Gesicht.
David nickte. Der
gefiel ihm schon besser. Ein Mann, der einen Fehler zugeben konnte, konnte auch
daraus lernen. »Ja, sie sind da.«
»Also gut, dann los.«
Der Glatzkopf machte Anstalten, auf das Haus zuzugehen. Davids Messer saß ihm
an der Kehle, bevor er Luft holen konnte.
»Einen Schritt weiter
und ich schlitz dir die Kehle auf«, zischte er. Die anderen Halunken standen
starr vor Schreck
um ihn herum, aber die Augen des Glatzkopfs funkelten vor Wut. Das freute
David. Es war in letzter Zeit recht langweilig gewesen. Er drückte dem Mann die
Klinge so fest an den Hals, dass Blut zu
Weitere Kostenlose Bücher