Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
auf Mikhail. Dessen Blick war von ihr ab und in die Ferne
gerichtet. Sie hatte den Eindruck, dass er die Zähne zusammenbiss. War er
zornig? Es freute sie, dass er sich Sorgen um ihr Wohlergehen machte.
»Mikhail? «
»Ich hatte dich nicht
für eine Frau gehalten, die gleich mit jedem anbandelt«, sagte er abweisend.
Nell fühlte sich, als
sei sie geohrfeigt worden. Hatte denn jeder Mann
plötzlich den Verstand verloren? Wie konnte er so etwas zu ihr sagen?
»Ich bin müde.
Könntest du mich bitte zu deiner Schwester zurückbringen?«, antwortete sie mit
einem nur mühsam unterdrückten Zittern in der Stimme. Wie hatte dieser Abend so
kippen können? Gerade noch hatte sie ihn für einen Märchentraum gehalten. Bei
Caligulas Pferd! Sie war eine Närrin!
»Vielleicht bist du
noch nicht auf besonders vielen Bällen gewesen, aber das ist keine
Entschuldigung, Nell. Du solltest es besser wissen, als dich so von einem Mann
betatschen zu lassen!«, sagte Mikhail, als hätte er überhaupt nicht gehört, was
sie gesagt hatte. Jetzt reichte es.
»Bei den Wikingern
von Walhalla! Das reicht! Wer gibt dir das Recht, so mit mir zu sprechen? Du
denkst, du darfst das, weil du ein Prinz bist?«, zische sie,
als ob das Wort etwas besonders Hässliches wäre. »Glaubst du, du hättest das
Recht, mich zurechtzuweisen? Ihr Aristokraten mit euren Titeln! Schaut
verächtlich auf uns einfache Frauen herab, bloß weil wir uns unseren
Lebensunterhalt auf anständige Weise verdienen wollen! Nicht jede von uns ist
eine Hure, auch wenn ihr das gerne hättet! Wie kannst du es wagen, wie ...«
Mikhails Augen
bohrten sich geradezu in die ihren. Er schien so wütend zu sein, dass Nell das
Wort im Halse stecken blieb.
»Er hat dir einen
unsittlichen Antrag gemacht!?«
Als Nell merkte, dass
sich sein Zorn nun auf Lord Pem berville richtete, zuckte sie
mit den Achseln. »Was spielt das schon für eine Rolle?«
»Nell, das ist kein
Scherz!«, sagte Mikhail stirnrunzelnd. Sein Blick hing forschend an ihrem
Gesicht. »Hat dieser Mann dich beleidigt?«
»Sehe ich so aus, als
wäre mir nach Scherzen zumute?« Nell funkelte ihn zornig an. »Weißt du, ich
hatte einen so schönen Abend, und dann tauchst du und dieser widerliche Lord
Pemberville auf und verderbt mir alles. Und jetzt bring mich bitte zu deiner
Schwester zurück.«
Mikhail stieß einen
langen Seufzer aus. »In New Hampton haben wir nie gestritten.«
Bei der Erwähnung
dieser schönen Zeit legte sich auch Nells Zorn. Auf einmal war sie nur noch
müde und erschöpft.
»Wir sind aber nicht
mehr in New Hampton«, sagte sie nach einer langen Pause. Sie wandte den Blick
von ihm ab und betrachtete die schön gekleideten Damen und Herren im Ballsaal.
Ihr Glücksgefühl war verschwunden; alles, worüber sie sich zuvor noch so
gefreut hatte, erschien ihr auf einmal bedeutungslos. Wie konnte auch
irgendetwas von Bedeutung sein, wenn man nicht mit dem Mann zusammen sein
konnte, den man liebte?
»Nein, du hast
recht«, stimmte Mikhail ihr zu. Er klang so traurig, dass Nell einen Moment
lang ganz verwirrt war. »Ich habe vorhin mit Angelica gesprochen. Sie hat mir
erzählt, dass die Herzogin eine Bäckerei für dich eröffnen will?«
»Ja.« Die Bäckerei.
Vorhin waren ihr vor Glück beinahe Flügel gewachsen, doch nun konnte sie nur
noch gezwun gen lächeln. »Sie
glaubt, ich könnte mir damit sehr gut meinen Lebensunterhalt verdienen.«
»Ich habe dir doch
versprochen, dass ich für dich sorgen werde. Vertraust du mir nicht?«
Nell merkte, dass sie
ihn verletzt hatte. Gegen ihren Willen versuchte sie sich zu erklären. »Doch,
natürlich. Aber ich, nun, es wäre mir lieber, ich könnte mir mein Geld selbst
verdienen, als auf einen anderen angewiesen zu sein ...«
»Angewiesen?«, rief
Mikhail aus. »Aber Nell, ich bin es doch, der in deiner Schuld steht.
Begreifst du denn nicht? Du hast mir geholfen, hast meine Familie beschützt, du
hast den Kindern auf dem Schiff das Leben gerettet. Ich werde für immer in
deiner Schuld stehen.«
Sie waren unwillkürlich
stehen geblieben. Mikhail legte beschwörend seine Hand an Nells Wange, und sie
schnappte überrascht nach Luft.
»Bitte, ich möchte
dir das alles irgendwie vergelten, Nell. Schließ mich nicht aus deinem Leben
aus.«
Nell wusste nicht
mehr, was sie denken sollte. Hilflos ließ sie es geschehen, dass Mikhail ihr
tief in die Augen blickte, dass er sich näher beugte ...
»Ach, da sind Sie ja,
Prinz Belanow!«
Nell
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