Mind Control
Aufwand getrieben, um den kostbaren KSP-Antrieb an Bord zu tarnen.« Er wandte sich wieder Jiang zu, die ihm gespannt lauschte. »Die Nascor war ursprünglich ein Versuchsschiff der GeRuCa. Romanows Wissenschaftler haben es gebaut, um die Auswirkungen von Überlichtsprüngen auf Menschen und Tiere zu erforschen. Auch ich war eines ihrer Versuchsobjekte. Das Labor unten gehört noch zu der alten Ausstattung des Schiffs. Die übrigen Räume und Quartiere haben wir in den letzten Jahren auf unsere heutigen Bedürfnisse hin umgebaut.«
»Einen Moment«, sagte Jiang. »Romanow ist seit 2911 unabhängig von der GeRuCa. Der Konzern konzentriert sich seit über 130 Jahren voll und ganz auf Lasertechnologie, Metallveredlung und Kunstdiamanten. Wenn du zu den Versuchspersonen gezählt hast… wie alt bist du dann?«
»Zu alt für dich.« Nikolaj grinste und setzte sich mit der dampfenden Brühe wieder neben sie. »Nach Terra-Standard etwas über 445 Jahre.«
»Über 445 Jahre?« Jiang riss die Augen auf. »Wie kann das sein?«
»Ich war damals Jagdflieger.« Obwohl er das Gefühl hatte, damit den Parasit in seinem Körper zu nähren, aß er trotzig seine Suppe. Irgendwie tat es gut, einmal die Wahrheit zu sagen. »Ich habe nicht immer PSI-Kräfte besessen. Doch als Jump bin ich dem Militär schnell aufgefallen. Ich wurde ständig dazu gedrängt, mich einer Forschungsgruppe des Petrov-Instituts von Sankt Petersburg zur Verfügung zu stellen. PSI-Forschung. Dahinter stand natürlich Romanow. Ich habe stets abgelehnt. Doch irgendwann hat das nicht mehr gereicht.« Er seufzte. »Sie haben den erstbesten Zwischenfall zum Anlass genommen, mich wegzusperren. Eine verirrte Rakete, die in einem Wohnblock mit Zivilisten einschlug. 26 Tote. Man hat mich dafür verantwortlich gemacht, doch ich schätze, dass sie die Rakete vorher präpariert hatten. Tja, und dann kamen sie mir mit einer Offerte, die ich kaum ablehnen konnte. Überlichtsprung-Forschung oder fünfzehn Jahre Gefängnis. Ich habe mich für Ersteres entschieden.«
»Das erklärt immer noch nicht dein Alter.«
»Mehr oder minder ein Unfall.« Nikolaj löffelte weiter seine Suppe. »Romanow hat damals eine Versuchsreihe gestartet, bei dem die Probanden Interim-Sprüngen im Kälteschlaf ausgesetzt wurden. Ich steckte ebenso wie Apollo in einer der Cryogenkammern, als es während der Sprungversuche zu einer Art Systemversagen kam. Ich weiß bis heute nicht, was damals mit der Nascor passiert ist. Hier an Bord befanden sich damals drei Wissenschaftler und der Pilot. Allerdings war der Laderaum randvoll mit verschiedenen Versuchstieren. Als ich aus dem Cryo-Schlaf wieder erwachte, stand mir Gwinny gegenüber. Sie und ihre Brüder waren es, die die Nascor herrenlos im All treibend entdeckt hatten.« Er hielt kurz inne. »Glaube mir, das Schiff bot keinen schönen Anblick.
Es stellte sich heraus, dass seit meinem Wegdämmern gute 400 Jahre verstrichen waren. KI, Elektronik und Lebenserhaltungssysteme funktionierten zwar noch, aber außer mir und Apollo gab es keine lebende Seele mehr an Bord. Nur staubtrockene Mumien. Irgendetwas ist da im Interim passiert. Etwas Unheimliches, über das selbst die Schiffsaufzeichnungen kaum Auskunft gaben. Protokolliert ist nur, dass die KI noch im Interim eine ganze Folge von Notsprüngen ausgelöst hat, so als wollte sie das Schiff vor irgendetwas in Sicherheit bringen.«
»Im Interim?« Die Chinesin sah ihn zweifelnd an. »Du willst mir doch jetzt nicht weismachen, dass da im Interim etwas war? Dort gibt es kein Leben. Alle solche Berichte haben sich im Nachhinein als Unfug herausgestellt.
Seemannsgarn.«
»Wer weiß.« Nikolaj setzte die Schüssel an und trank den Rest der Suppe. Er wusste selbst, wie verrückt das klang.
»Mein altes Leben ist seitdem jedenfalls dahin. Was mit meinem Körper in den 400 Jahren im Einzelnen geschah, weiß ich nicht. Aber als ich erwachte, verfügte ich über mentale Fähigkeiten. Womöglich hat sich die hohe Anzahl an Versuchstieren an Bord irgendwie auf meinen Geist ausgewirkt. Die Anwesenheit zu vieler Menschen ertrage ich seitdem jedenfalls nur noch unter Einfluss von Neuroleptika. Wohl fühle ich mich nur noch unter Tieren. Ihre mentalen Hirnströme beruhigen mich, und ich kann sie beeinflussen. Mein kleines Unternehmen hier«, er wies zu den Schiffswänden, »war sozusagen der Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen. Mit Apollo jedenfalls verbindet mich seitdem ein ganz besonderes Band. Er ist
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