Mind Control
Weißwürsten, Brezeln und riesigen, schaumbedeckten Maßkrügen über die Tanzfläche. »Woran erkennen wir diesen Cross eigentlich?«, rief Nikolaj gegen den Lärm an.
»Er wird uns ansprechen«, antwortete Jiang. »Cagliostro meinte, dass er mich schon finden werde. Allerdings bestand Cross auf einem Vieraugengespräch mit dir. Er ist wohl noch immer etwas misstrauisch. Aber ich werde ihn ebenfalls erkennen. Ich habe mir vorhin ein paar Sendungen von ihm angesehen.«
Nikolaj nickte und sah sich um. Weiter hinten bei der Theke waren zwei Schnapsleichen auf ihren Hockern zusammengesunken, während auf der Tanzfläche unmittelbar vor ihnen eine Frau ihrem Mann eine Szene machte, weil dieser ihrer Meinung nach zu lange mit seiner Sekretärin getanzt hatte. So hatte offenbar jeder im Universum sein Päckchen zu tragen.
Sie begaben sich über eine Treppe in den oberen Bereich des Hauses, wo sie von Themen-Räumen erwartet wurden, die ebenso bevölkert waren wie die Räumlichkeiten unten. Neben der Garderobe waren hier oben auch separate Kneipen zu finden, in denen große Buf-fets aufgebaut waren. Barmixer boten Guinness, Whisky und Cocktails an, alles gratis. Einer dieser Extrabereiche war im Westernstil eingerichtet, ein anderer wirkte mit seinen rosa Plüschsofas wie eine Schwulenbar, nur dass dort zwei Dutzend Kinder herumtobten, die von werkeigenen Kindergärtnerinnen in blauen Hosenanzügen betreut wurden.
Schließlich gelangten sie in ein irisches Pub, in dem es etwas ruhiger zuging als in den übrigen Räumen. Einzelne Firmenangehörige saßen hier und starrten mit einem Bier in den Händen zu Bildschirmen an den Raumecken empor. Auf einem von ihnen flackerte eine Sportübertragung, auf einem anderen war eine Sendung von Starlook zu sehen. Eine attraktive blonde Moderatorin mit aufgespritzten Lippen blickte ausdruckslos in die Kamera. Hinter ihr schoben sich die bekannten Bilder von der Vernichtung Betterdays ins Bild, während sie einer Zuschauerin zuhörte, die keifend ihren Unmut kundtat. »Hat denn schon jeder vergessen, was diese dreckigen Chims auf Zamblian angerichtet haben? Von der Katastrophe auf dem STPD-Planeten haben Sie doch selbst berichtet!«, überschlug sich die schrille Off-Stimme. »Das waren Betas! Betas haben das Regierungsviertel von New Tailhe vernichtet. Mir wird übel, wenn ich nur daran denke, welche Rechte dieser Cross ihnen jetzt bei uns eingeräumt hat. Wir werden alle noch draufgehen, wenn wir sie nicht aufhalten. Es gibt viel zu viele von Ihnen. Meinetwegen können die Collectors nach Betterday auch gleich bei uns mit ihrer Säuberung fortf…«
Die Moderatorin unterbrach die Zuschauerin kurzerhand. »Leider nähert sich unsere Sendezeit dem Ende. Das war unser Spezial zum Thema »Menschenrechte für Betas? Chancen und Risiken<. Morgen zum gleichen Zeitpunkt wird Sie unser Sternenreporter Salvador M. Ransom in Rahmen einer Sondersendung über das neueste VHR-Mandat informieren. Ich bin Justine Ashley für Starlook aus Carabine City, Pherostine.«
Nikolaj wandte sich ab, da seine Begleiterin den gesuchten Reporter auch hier nicht entdeckte. »Wenn Cross uns sucht, wird er uns am ehesten finden, wenn wir uns unten aufhalten«, meinte er. »Kannst du tanzen?«
»Tanzen? Jetzt?« Sie sah ihn an, als habe er ihr ein unmoralisches Angebot gemacht.
»Ja, tanzen. Das ist womöglich mein letzter Abend, Jiang«, sagte er ernst. »Da finde ich, dass es mir gestattetest, die schönste Frau hier auf Pherostine zum Tanz zu bitten.«
Jiang sah ihn verlegen an, und er ergriff einfach ihre Linke. Ihre Hand fühlte sich täuschend echt an. Nikolaj zog sie mit sich zurück zu der Treppe, und Jiang stolperte mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen hinter ihm her.
»Ich kann doch meine Rechte gar nicht bewegen und … Nikolaj, ich kann nicht tanzen.«
Inzwischen hatten sie wieder den Saal mit der Werkband erreicht, in dem Applaus aufbrandete. Die Bandmitglieder von Zeche 10 verneigten sich und begannen, einen Wiener Walzer zu spielen, der etliche Paare dazu veranlasste, sich von den Tischen zu erheben. »Na, dann wird es Zeit, dass du es lernst.« Er nahm ihre schlaffe Rechte behutsam aus der Schlinge, und einen Augenblick lang sträubte sie sich. Doch er lächelte ihre Bedenken fort und richtete den Arm in klassischer Tanzhaltung auf.
Jiang sah sich nervös zu den anderen Frauen um und legte vorsichtig ihre Linke auf seine Schulter. Nikolaj zog sie zu sich heran und begann mit ihr im
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