Mind Control
Diesen Butler.« Roger schnaubte. »Der Kerl ist Bure. Vor einer halben Stunde hat mir einer der Hausdiener erzählt, dass sein Boss auf eine lange Familientradition zurückblickt. Angeblich ist er im Haushalt eines Konzerners in der Global City Bamako aufgewachsen. Afrika. Sein Vater war dort bereits als Butler angestellt.«
Nikolaj stieß einen leisen Pfiff aus. »Du hast Recht. Wenn das Zufall ist, begleite ich dich ohne Neuroleptika zu einem der hiesigen Air-Speed-Rennen.«
Der Heavie lächelte schmal. »Sei vorsichtig mit deinen Versprechungen. Im Übrigen haben wir immer noch nicht geklärt, wie Bitangaro an Müller überhaupt rankommen will? Der Kerl wird doch von seinen Leibwächtern abgeschirmt, als sei er der Präsident der VHR. Zulu muss also einen wirklich guten Plan haben.«
»Na ja, wenn Mortimer Müllers Leibwächter aussucht, dann könnte der heute eine üble Überraschung erleben«, meinte Gwinny nachdenklich.
Nikolaj zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt kümmert mich Müller im Moment nicht. Hauptsache, wir sind heute Abend erfolgreich. Danach sehen wir weiter!«
»Schaffst du das denn?«, fragte Gwinny besorgt. »Das ist eine ganz schöne Entfernung.«
»Muss ja.« Nikolaj winkte ab und wandte sich wieder Roger zu. »In der Garage unten alles klar?«
»Ja, alles klar.« Roger nickte.
Nikolaj kramte den Pen mit seinem Neuroleptikum aus der Innentasche und betrachtete ihn. Nein, er musste sich heute ohne eine weitere Dosis unter das Konzertpublikum wagen. Seine mentalen Kräfte durften durch nichts beeinträchtigt werden. Er steckte den Pen wieder ein.
»Hier, vergiss die nicht.« Gwinny reichte ihm die Konzertkarte mit dem holografischen Konterfei Chu Jiangs.
»Und Nikolaj, geh keine unnötigen Risiken ein. Mir ist nämlich noch eine Möglichkeit eingefallen, um dich aus dem Schlamassel herauszuholen.«
»Und welche?« Nikolaj sah Gwinny ebenso gespannt an wie Roger.
»Ganz einfach: Wenn Zulu tatsächlich Müller, diesen Lantis-Familienangehörigen oder einen der anderen Reichen entführen will, dann bleibt uns als letzte Option immer noch, für seine oder ihre Befreiung zu sorgen. Der Preis dafür wäre dann deine OP beim 2OT.«
Gwinny hatte Recht. Nikolaj legte ihr die Hand auf die Schulter. »Hoffen wir, dass es so weit gar nicht erst kommt.
Also, wünscht mir Glück!«
Soll ich in deiner Nähe bleiben?, ertönte die Stimme in seinem Kopf.
Nein, antwortete Nikolaj. Die nächsten Stunden muss ich allein durchstehen. Ohne seinem Team einen weiteren Blick zu schenken, machte er sich auf den Weg durchs Haus in den Garten.
Draußen war es dunkel, und so schaltete seine Multibrille automatisch auf Nachtsicht um. Noch immer wehte eine warme Brise über die Insel, und die Luft roch köstlich nach Hibiskus und Rosen. Trotz der Tageszeit waren im Garten noch immer Filmleute auf den Beinen, und weiter hinten, beim Pool, ertönte Fire-stones »Action!«.
Nikolaj ignorierte die Filmleute und marschierte weiter, bis er die Ruinenkulisse umrundet hatte. Zwei Security Guards lösten sich aus den Schatten. Nikolaj zückte die Karte und wurde ohne weitere Kontrollen durchgewinkt. Er passierte weitere Guards und erreichte schließlich eine beeindruckende und von hohen Bäumen umgebene Senke, die nach dem Idealtypus eines antiken griechischen Freilufttheaters erbaut worden war. Die im Halbrund angeordneten Sitzreihen, auf denen sicher bis zu 1000 Zuschauer Platz hatten, reichten bis hinunter zur Bühne mit der beeindruckend illuminierten Holokulisse eines von Sternen erleuchteten Alls. Tontechniker überprüften soeben die Akustik mittels Tschaikowskis Schwanensee, während im Hintergrund mehrere Antigrav-Logen testweise auf-und niederschwebten.
Das Konzert begann erst in einer Stunde, doch da Bitangaro darauf bestanden hatte, dass er so früh erschien, war Nikolaj der erste Besucher. Er kam an Pavillons vorbei, in denen Angestellte Champagner kaltstellten und kunstvolle Hors d’oeuvres zubereiteten. Die Bediensteten musterten ihn leicht irritiert, führten ihn aber anstandslos zu seinem Platz in der hintersten Reihe. Müllers Großzügigkeit hielt sich offenbar in Grenzen. Oder hatte dieser Butler den Platz ausgesucht? Der Ort war gut von allen Seiten einsehbar. Vorsichtig hielt Nikolaj nach Bitangaro und Mortimer Ausschau, wurde aber nicht fündig. Immerhin, jeder der Sitze war weich gepolstert und mit Touchpads versehen, so dass man während der Vorstellung Getränke und Leckereien
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