Mind Hacking: Wie Sie mit Beobachtung, Menschenkenntnis und Intuition die Gedanken Ihrer Geschäftspartner entschlüsseln (German Edition)
fragte jemand.
Wie war es uns gelungen, die Personen so gut einzuschätzen? Es ist recht einfach. Wir haben jedes Mal, ganz egal, welcher Proband vor uns saß, einen gleichlautenden, aber speziellen Text aufgesagt, der auf fast jeden Menschen zutrifft:
»Sie brauchen die Zuneigung und Bewunderung anderer, dabei neigen Sie zu Selbstkritik. Zwar hat Ihre Persönlichkeit einige Schwächen, doch können Sie diese im Allgemeinen ausgleichen. Sie haben beträchtliche Fähigkeiten, die brachliegen, statt dass Sie sie zu Ihrem Vorteil nutzen. Äußerlich diszipliniert und kontrolliert, fühlen Sie sich ängstlich und unsicher. Mitunter zweifeln Sie ernstlich an der Richtigkeit Ihres Tuns und Ihrer Entscheidungen. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung, und Sie sind unzufrieden, wenn Sie von Verboten und Beschränkungen eingeengt werden. Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und nehmen anderer Leute Aussagen nicht unbewiesen hin. Doch erachten Sie es als unklug, sich anderen zu freimütig zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, manchmal auch introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Ihre Wünsche scheinen mitunter eher unrealistisch.«
Professor Bertram Forer, US-amerikanischer Psychologe an der Veterans Administration Mental Hygiene Clinic in Los Angeles, hat das soeben beschriebene Experiment bereits 1948 durchgeführt. Unter dem Vorwand eines Persönlichkeitstests ließ er seine Studenten einen Fragebogen ausfüllen. Eine Woche später gab er ihnen die Auswertung. Die Studenten sollten dann, wie auch die Freiwilligen in unserem Test, auf der Skala von null bis fünf entscheiden, inwieweit sie sich in der Auswertung wiederfinden. Der Punktedurchschnitt betrug 4,26. Auch hier bekam jeder Student den speziellen Text vorgelegt. Der Text war der gleiche wie in unserem Experiment. Es ist die deutsche Übersetzung.
Historisch geht dieses Experiment von Professor Forer auf den Zirkusdirektor Phineas Taylor Barnum aus dem 19. Jahrhundert zurück. Dieser war zu seiner Zeit bekannt für sein Kuriositätenkabinett, in dem unter anderem auch eine Zigeunerin das Handlesen anbot. Ferner soll P. T. Barnum Menschen zu Hellsehern ausgebildet haben. Natürlich besaßen diese Personen keine übernatürlichen Fähigkeiten. Sie konnten aber das von Barnum Gelernte gut anwenden, um die Menschen von ihren »Fähigkeiten« zu überzeugen. Daher ist die hinter dem Experiment von Professor Forer steckende Wirkung auch als Barnum-Effekt bekannt. Die Bezeichnung führte der Psychologe Paul Meehl ein.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an eine Dozentin an der Uni. Sie ist Psychologin und erzählte mir einmal von ihrem Versuch mit diesem speziellen Text. Beim Stammtisch mit ihren Kollegen ließ sie ähnlich wie Prof. Forer einen Fragebogen zur Person ausfüllen. Zum nächsten Treffen gab sie jedem eine Auswertung über dessen Charaktereigenschaften und wollte wissen, inwieweit sich jeder darin wiederfindet. Obwohl auch diesmal jeder den gleichen Text bekam, stimmte dieser im Durchschnitt zu 70 Prozent mit der Persönlichkeit jedes Befragten überein. Besonders interessant dabei: Jeder der Teilnehmer war in Psychologie geschult. Obwohl also alle Testteilnehmer schon mal von Professor Forers Experiment gehört hatten, funktionierte der Test.
Auch in meinen Vorträgen und Seminaren führe ich diesen Test durch. Ich suche mir ein paar Personen heraus, behaupte, sie vorher beobachtet zu haben, und gebe ihnen die angeblich auf sie zugeschnittene Persönlichkeitsbeschreibung. Die Ergebnisse sind immer ähnlich. Bevor ich das Geheimnis lüfte, dass alle den gleichen Text bekommen haben, sehe ich, wie verwundert und ratlos meine Teilnehmer schauen, weil sie sich so gut beschrieben gefühlt haben. Wenn ich das Experiment dann auflöse, sind sie verblüfft.
Doch warum funktioniert dieser Test? Menschen akzeptieren allgemeingültige Aussagen als zutreffende Charakterisierung der eigenen Persönlichkeit. Schauen wir uns jetzt den Text von Professor Forer genauer an und analysieren, warum dieser auf fast alle Menschen zutrifft.
Die erste Aussage besagt, dass wir gerne von anderen Menschen bewundert oder zumindest anerkannt werden wollen. Jeder von uns wünscht sich Zuneigung. Gleichzeitig sind wir alle kritisch gegenüber uns selbst. So fragen wir uns, wie wir auf andere wirken oder ob das, was wir tun, richtig ist. Die Eigenschaft »selbstkritisch« bezieht sich im
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