Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können (German Edition)
der Neurobiologe und Psychiater Joachim Bauer [15] folgendermaßen: Seiner Ansicht nach kann unsere Fähigkeit, soziale Erfahrungen in uns selbst abzubilden, auch dazu führen, dass wir uns als Opfer selbst mit den Zuschreibungen durch die Täter identifizieren. Was ich vor dem Spiegel als
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produzierte, war genau das, was Bauer beschreibt: Ich spiegelte die Abneigung, die andere mir gegenüber auslebten, in mir selbst wider. Der Wächter in mir übernahm das Urteil der anderen. Erst indem ich mich mit der Abwertung der anderen identifizierte, war das Verhältnis zwischen mir und der Welt wieder »in Ordnung«.
Die gute Nachricht ist, dass ich mich von diesen Zuschreibungen im Laufe der Jahre natürlich lösen konnte. Die Fähigkeit von Kindern, sich selbst zu regulieren und auch schwierige Erfahrungen kreativ neu zu deuten, ist stärker ausgeprägt, als wir uns manchmal denken, bestätigte mir auch Anke Pannier: »Kinder«, sagt sie, »sind sehr kreativ, wenn es darum geht, auch von positiven und nährenden Einflüssen zu profitieren.« Immer wieder sind wir auch als Erwachsene in der Lage, eine neue Perspektive einzunehmen, die Dinge mit Abstand zu betrachten und geradezurücken, wo uns schlechte Erfahrungen verbogen haben.
Erwünschte Lebensmodelle
Doch nicht nur über mich selbst, sondern auch über Lebensmodelle für meine Zukunft lernte ich in dieser Zeit bereits eine Menge. Ohne es zu wissen, orientierte ich mich an den Vorstellungen meiner Eltern, was ein gelungenes Leben ist. Ich merkte, dass es angesehen war, wenn eine Frau einen beruflich erfolgreichen Mann geheiratet hatte. Ein eigenes Haus und ein teures Auto waren die Standards, an denen Erfolg in der Umgebung meiner Eltern gemessen wurde. Ich integrierte diese Vorstellungen meines Umfelds damit auch in mein Denken. Mein Wächter hatte eine klare Vorstellung davon, was ich von mir für die Zukunft erwarten sollte.
Manchmal frage ich meine Klienten, welches Leben ihre Eltern sich für sie gewünscht hätten. Daraus kann man gut ablesen, welche Erwartungswelten an ein gelungenes Leben der Innere Wächter hat. Für Frauen aus dem Westen der Bundesrepublik, aus Österreich oder der Schweiz ist das heute häufig ein doppeltes Spiel, eine geradezu schizophrene Situation. Fast alle Klientinnen antworten, die Eltern hätten sich gewünscht, dass sie glücklich mit einem netten, erfolgreichen Mann und zwei Kindern in einem Haus leben. Was den Beruf betrifft, sind die Aussagen unterschiedlich. Ein Teil der Frauen sagt, der Beruf sei den Eltern nicht wichtig gewesen. Die anderen meinen, die Eltern hätten sich auch hier gewünscht, dass ihre Töchter eine tolle Karriere machen würden. Beim ersten Fall hat der Wächter die Botschaft bekommen, dass der Beruf für eine Frau nicht wichtig ist. Im anderen, dass sie beides auf einmal perfekt regeln muss: ein tolles Familienleben und eine Spitzenkarriere. Meine männlichen Klienten haben diese Doppelbotschaften seltener erhalten. Aber sie haben so gut wie immer früh gelernt, dass sie erfolgreich zu sein oder sogar eine ganz bestimmte Position in einem bestimmten Beruf zu erreichen hätten. Wenn wir uns die berufliche Situation der nun erwachsenen Männer und Frauen ansehen, können wir gut beobachten, welchen starken Einfluss die »Programmierung« des Wächters in Bezug auf soziale Rollenerwartungen bei uns hat. Auch hier könnte also
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der Schlüssel für Schieflagen und Überlastungen sein.
Jeder hat Regeln gelernt
Ich sehe in der Arbeit mit meinen Klienten, dass jeder von uns Regeln dieser Art häufig unausgesprochen gelernt hat. Je nachdem, in welchem Umfeld er oder sie groß wurde, je nachdem, was er oder sie erlebte. Sehr häufig ist es die enge Welt, aus der wir kommen und die wir als Kinder nur sehr grob verstehen konnten. Diese Welt aber sieht dem inneren Gefängnis, das wir mit
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täglich in uns wiederbeleben, zum Verwechseln ähnlich.
Das erklärt, warum sich so viele Menschen schwer damit tun, für ihr Leben etwas anderes zu wollen als das, was sie von ihrer Familie kennen. Sie glauben, sich deshalb erst eine Erlaubnis »einholen« zu müssen, dass sie mehr – oder auch etwas anderes – vom Leben erwarten
dürfen
als ihre Eltern oder ihre Verwandten und Freunde. Oder sie meinen, dass sie die Erlaubnis dafür brauchen, dass sie nicht genauso hart arbeiten
müssen
und auch weniger Geld verdienen
dürfen
als diejenigen, die bisher die Regeln ihres Lebensspiels gesetzt
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