Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
real.
Mac hatte dagelegen und darüber nachgedacht, dass das ja vielleicht schon reichte – zu wissen, dass sie Shane glücklich machte, egal, wie alles angefangen hatte. Fast hätte sie ihn mit einem Kuss geweckt – und noch mit einigem mehr als nur einem Kuss.
Aber was ihn betraf, traute sie sich selbst nicht über den Weg. Wenn sie mit ihm zusammen war, hätte sie seinen Worten beinahe nachgeben können. Selbst wenn er schlief, war sie in Versuchung, alle Vorsicht aufzugeben, egoistisch zu sein und ihn zu ihrem festen Freund zu machen. Wenn sie beide am OI lebten, würde er nie die Nase von ihr vollhaben. Er würde nie tun, was Tim getan hatte – weil sie nie so lange voneinander getrennt sein würden.
Mac war keine Heilige. Sie hatte eine solche Beziehung bereits mit Justin gehabt. Wo war das Problem, das Gleiche mit Shane zu machen? Menschen gaben sich ständig mit dem Unvollkommenen zufrieden, wenn es um die Liebe ging.
Trotzdem hatte sie Shane nicht so geweckt, wie sie es nur zu gern getan hätte. Die Angst war einfach zu groß gewesen.
Stattdessen hatte sie sich einfach aus ihrer Wohnung geschlichen und nicht mal eine Nachricht hinterlassen, mit der Gewissheit, dass er ihr letztendlich folgen würde.
Aber Gott, wie sehr wünschte sie sich jetzt jenen Moment zurück, um ihre Entscheidung rückgängig zu machen …
»Sie kommt jetzt rein«, kündigte Anna an. »Um mit dir zu reden. Sie sagt, wenn du ihr was tust –«
»Bringt sie uns um, hab’s kapiert«, sagte Mac, als sich die Tür unter dem Klicken und Klappern der vielen Riegel und Schlösser öffnete.
»Nicht uns«, korrigierte Anna sie. »Mich. Offensichtlich haben sie rausgefunden, dass ich für sie wertlos bin.«
Ehe Mac fragen konnte: Und ich nicht? , betrat eine junge Frau den Raum. Sie war hochschwanger und trug neben dem Baby, das in ihrem Bauch heranwuchs, noch einige Extrakilos mit sich herum.
Außerdem eine gehörige Portion Hass und Angst. Mac musste sich beherrschen, nicht zurückzuzucken. Es war so stark, so dominant, dass Mac nichts anderes entziffern konnte – kein Mitgefühl, keine Liebe, kein Verlangen, keinen Stolz, keine Hoffnung – nicht einmal Neid oder Eifersucht. Nur diesen unerbittlichen, angstgesteuerten Hass – fast, als wäre dieses Mädchen nicht viel mehr als ein Tier, das sein ganzes Leben lang in einem wirklich schrecklichen Zoo gelebt hatte.
»Gratulation«, sagte Mac, hauptsächlich, um sie zu überraschen, denn es war wahrscheinlich das Letzte, was sie von Mac zu hören erwartete. Außerdem wusste sie, dass, wenn man es bei ihr mit wahrem Mitgefühl und Freundlichkeit versuchte, dieses Mädchending bloß bissig werden würde. Im übertragenen Sinn. Also hielt sie den Ball flach. Fürs Erste.
Das Mädchen blinzelte.
»Wann wird es denn so weit sein?«, fragte Mac.
Das Mädchen blickte auf die Haken in Macs Armen und lachte verächtlich. »Als würde dich das interessieren.«
»Wie es aussieht, dauert es nicht mehr lang«, sagte Mac. »Ich habe gehört, dass es Frauen radikal verändert, ein Baby zu bekommen. Mach dich auf einiges gefasst.«
»Das ist schon mein drittes«, sagte das Mädchen, und ihr Hass war so stark, dass Mac ihn förmlich knistern hörte. Genauso deutlich spürte sie, dass das Mädchen die Wahrheit sagte. »Ich glaube, man braucht ein richtiges Baby, damit dieser Mist passiert. Ich bin bloß eine Gebärmaschine.«
»Oh Gott«, flüsterte Anna. »Du armes Ding.«
»Ich bin weder arm noch ein Ding«, fauchte das Mädchen sie an.
»Aber du stehst bei diesem Kampf auf der falschen Seite, weißt du das?«, sagte Mac zu dem Mädchen.
Sie lachte bloß. »Ich bin nicht diejenige mit Metallpflöcken in den Armen.« Sie blickte zu Anna hinüber, und in diesem Blick lag etwas, dass sich Mac die Nackenhaare sträubten.
Also hielt sie die Unterhaltung am Laufen. »Na schön«, sagte Mac. »Also, wo ist Nika? Wir würden sie gerne sehen, um zu wissen, dass es ihr gut geht.«
Wieder lachte das Mädchen höhnisch. »Was ist bloß mit euch los? Glaubt ihr wirklich, ihr seid in der Position, Forderungen zu stellen?«
Dieses Mädchen hatte keine Ahnung, über welche Kräfte Mac verfügte, aber das sagte Mac nicht laut. Es war besser, sie – und denjenigen, der sie so zu Tode ängstigte – glauben zu lassen, sie hätten Mac mit ihren antitelekinetischen Fesseln überlistet. Wobei es natürlich keineswegs ausgeschlossen war, dass sie sie mit diesen schmerzhaft spitzen Haken tatsächlich
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