Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
Teil der Ausbildung hier am OI behandelte die Entscheidung, wann und wo man seine Kräfte einsetzte. Und den respektvollen Umgang mit den vielen Fraktionierten, die auf dieser Welt lebten. Verglichen mit Diaz war eher Mac diejenige, die in diesem Bereich Probleme hatte.
Diaz hatte sich voll und ganz der Zen-orientierten Philosophie und dem mönchsartigen Leben verschrieben, was ihm das Training für eine höhere Vernetzung erleichtern sollte.
Er war ein Mann, der nicht viele Worte machte, verrichtete ruhig seine Arbeit und war meistens in sich gekehrt, wenn man ihm auf den Fluren des OI begegnete – was sicher nicht ganz einfach war, angesichts der Aufmerksamkeit, die ihm sein Aussehen sicherlich bescherte.
Der Groß-Than war nicht nur sehr muskulös, sondern auch knapp zehn Zentimeter größer als Elliot, und Elliot hatte die eins achtzig bereits überschritten, bevor er fünfzehn wurde. Diaz hatte Beine wie Baumstämme und Arme und Schultern wie … Jedenfalls war der Mann körperlich in Bestform. Und mit seinem dunklen Haar, das er kurz trug, diesen lebhaften meergrünen Augen, der perfekten Nase und Gesichtszügen, die wie gemeißelt waren …
Überflüssig zu erwähnen, dass Diaz’ Besuche im Fitnessraum des OI zu einer Zuschauerattraktion für das weibliche Forschungspersonal geworden waren.
Obwohl Diaz – zumindest soweit Elliot wusste – sein Trainingsgelübde und das damit verbundene Zölibat sehr ernst nahm.
Aber wirklich sicher war sich Elliot da gar nicht . Er und Diaz waren nicht befreundet. Sie waren Kollegen. Bekannte, die sich gegenseitig respektierten. Sie kannten einander gut genug, um auch mal eine Weihnachtsfeier zu überstehen, bei der sie nebeneinander platziert worden waren. Aber während Elliot regelmäßig Zeit mit Mac verbrachte und auch immer wieder mit Bach plauderte, hatte er noch nie entspannt mit Diaz herumgesessen.
Nicht ein einziges Mal.
Nicht, dass Elliot es nicht versucht hatte. In den sieben Jahren, seit er hier arbeitete, einschließlich der letzten drei, seit er auf dem Campus wohnte, hatte er die Freundschaftskarte immer ganz oben auf den Stapel liegen gehabt, wenn er mit Diaz zu tun gehabt hatte. Doch der andere war immer auf Distanz geblieben.
Eine Weile hatte Elliot gedacht, Diaz hätte vielleicht ein Problem mit Schwulen. Aber mit der Zeit hatte er festgestellt, dass Diaz zu jedem Abstand hielt.
»Okay. Sie können gehen«, sagte Elliot, aber er gab die Tür nicht frei, und da öffnete Diaz die Augen und sah ihn an. Blickkontakt. Endlich. Seine Pupillen waren nicht geweitet, und seine Augen nicht glasig. Das war gut. »Aber wehe ich kriege nicht innerhalb der nächsten dreißig Minuten einen Bericht zu sehen, dass Sie noch mal gescannt wurden. Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass ich komme und sie mir hole. Denn das werde ich. Darauf können Sie Gift nehmen.«
Diaz biss die Zähne aufeinander, und die Muskeln in seinem Kiefer zuckten, während er nur dastand und ihn anstarrte.
»Haben Sie verstanden?«, bohrte Elliot nach.
Diaz schloss die Augen und nickte. Er lachte sogar ein bisschen, als er flüsterte: »Verstehe«, als wäre irgendwas an dem, was Elliot gesagt hatte, lustig.
»Gut.« Elliot kapierte den Witz nicht, trat aber zur Seite.
Diaz ging zügig auf die Tür zu, riss sie auf …
Und prallte mit Michelle Mackenzie zusammen, die gerade von draußen reinkommen wollte.
Diaz bewegte sich so schnell, dass er nicht mehr anhalten konnte, obwohl er es versuchte, und sie war buchstäblich fast nur halb so groß wie er, so dass sie beide hart auf den Fliesen im Flur zu Boden gingen.
»Verdammte Scheiße!«, sagte Mac, und dann: »Sorry! Sorry!«, als Elliot auf die beiden zugeeilt kam, um ihnen zu helfen.
Aber Mac war schon wieder auf den Beinen, also wandte er sich Diaz zu, der noch auf dem Boden lag.
»Alles klar?«, fragte er sie beide.
»Bei mir ja«, sagte Mac, »aber ich habe D wohl einen ziemlich heftigen Tritt in die Eier verpasst. Der Autopilot hat sich eingeschaltet und … Tut mir echt leid.«
Elliot wusste aus den endlosen Tests und Berichten, dass diese Art von Schmerz schwer abzuschirmen war. Zwar konnten Groß-Thans wie Diaz oder Bach oder auch Auszubildende wie Charlie oder Brian selbst einen starken elektrischen Strom in die Geschlechtsteile aushalten, ohne mit der Wimper zu zucken – wenn sie ihre Blockade gegen Schmerzen schon vor einer Auseinandersetzung aktiviert hatten. Aber die männliche Anatomie war so beschaffen, dass
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