Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Stadt war ein reiner Wohnbezirk aus zweistöckigen Häusern mit großen Gärten. Dicke ebenholzschwarze Stümpfe von Roßkastanien ragten vom ungepflegten Straßenrand auf und trugen Hemden aus käsig-orangefarbenem Pilzbefall. Man hatte neue Acmopylbäume als Ersatz angepflanzt, und sie waren bereits vier oder fünf Meter hoch und warfen mit ihren silbergrauen Blättern lange Schatten.
Am Fuß des Hangs bog Eleanor links ab und nahm Kurs auf das Stadtzentrum.
Rutland Terrace war eine massive Reihe aus dreistöckigen Häusern, zweihundert Meter lang und strategisch auf halber Höhe des Wellandtales angelegt, damit die Bewohner unbehinderte Aussicht auf den Fluß – jetzt vom Sturm angeschwollen – und den Südhang dahinter genossen. Die winzigen Balkone im ersten Stock lagen im Schatten von Leinwandmarkisen mit Streifen aus Grundfarben. In ihrem dürftig gesprenkelten Schutz ruhten sich die Bewohner aus, die gerade das schöne Wetter nutzten.
Eleanor parkte vor Morgan Walshaws Haus auf halbem Weg entlang der Zeile.
Trotz des ärmellosen Kleides, das sie ausgewählt hatte, weil es so luftig war, schwitzte sie sofort, als sie aus dem Wagen stieg. Die vom Fluß herrührende Feuchtigkeit lag über der Stadt und drückte auf sie wie ein bleierner Regenbogen.
Der kleine Garten vor dem Haus erweckte den Eindruck, von einem Geometer angelegt worden zu sein – die Büsche und Setzlinge ragten in Habachtstellung empor. Eine Waldrebe wuchs über die vordere Wand hinweg und hatte einen Vorhang aus malvenfarbenen Tafeltellerblüten gebildet, der nur vom Torbogen des Eingangs und dem Erdgeschoßfenster durchbrochen wurde.
Ein Hardliner von der Sicherheit öffnete die schwarze Vordertür. Eleanor war diesen Leuten oft genug auf Wilholm begegnet, um den Typ zu erkennen. Ein junger Mann in einem hellen Anzug, aufmerksame Augen, kein Gramm überflüssiges Fett.
Er führte sie zum Wohnzimmer im ersten Stock hinauf. Die Luft im Haus war ruhig und entspannend, eine Frische, die mehr an der Dicke der alten Steinwände lag als an der modernen Klimaanlage.
Gabriel kam vom Balkon herein, um Eleanor zu begrüßen. Sie war einfach gekleidet, in ein seidiges blaues und weißes Top mit Rock. Eleanor konnte sich nie ganz überwinden, die Tatsache zu akzeptieren, daß diese Frau so alt war wie Greg. Auch nach den ganzen Therapiesitzungen, der Diät und dem Fitneßprogramm der letzten beiden Jahre blieb Gabriel ein klarer Fall von mittleren Jahren. Und obendrein ein widerborstiger Charakter.
»Was führt dich in die Stadt?« wollte Gabriel wissen.
»Könnte es nicht einfach der Wunsch sein, dich zu besuchen?«
»Diesmal nicht, nein. Und du müßtest es inzwischen besser wissen, als noch den Versuch zu wagen, eine Übersinnliche reinzulegen, selbst eine ehemalige wie mich.«
Sie gingen auf den Balkon und setzten sich in die Liegestühle, die Gabriel aufgestellt hatte. Über ihnen flatterte leise der Rand der Markise.
»Ich bin wegen der Kitchener-Ermittlungen hier«, sagte Eleanor geradeheraus.
Gabriels höfliche Maske fiel herunter. »Scheiße, was ist denn jetzt los?«
»Gregs Intuition.« Sie erzählte Gabriel vom Besuch der Beswicks heute morgen.
Gabriel verschränkte die Arme und sackte weiter die Nylonsitzfläche des Stuhl hinunter. »Würden nur die Eltern des Jungen protestieren und erklären, wie nett und harmlos er ist, dann wäre ich geneigt, die ganze Sache zu vergessen, und scheiß drauf, wie gräßlich das wäre. Aber wenn Greg sich so erhitzt, ist das etwas anderes. Eine Menge Leute laufen heute noch herum, die ohne seine verrückte Intuition in der Türkei zurückgeblieben wären.« Sie schlug ein Auge ganz auf und bedachte Eleanor mit einem trüben Blick. »Die hohen Tiere von Mindstar hatten sogar einen schriftlichen Befehl herausgegeben, daß er die Intuition nicht benutzen durfte, wenn er Einsatzstrategien entwickelte. Es war nämlich keine anerkannte Psifähigkeit.« Das Auge ging wieder zu, aber ihr Lächeln blieb. »Pißköppe!«
»Greg ist sich sicher, daß dieser Vorfall, an den er sich erinnert, irgendwie mit Beswick und dem Mord in Zusammenhang steht. Kannst du dich an irgendwas erinnern, was in den PSP-Jahren draußen auf Launde Abbey passiert ist? Ich nicht, aber schließlich hielt man uns im Kibbuz auch sorgsam von der wirklichen Welt abgeschottet.«
»Nein, an nichts. Ich war zu sehr damit beschäftigt, das Leben auszusperren, weißt du noch?« Sie nahm einen tiefen Schluck aus einem Glas
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