Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Gabriel verdrehte geschlagen die Augen und verschränkte die Arme.
»Ich möchte mich gar nicht beschweren«, fuhr Eleanor fort. »Ich bitte den Mercury in einer peripheren Angelegenheit um Hilfe.«
Simms wurde hellhörig. »Ist das offiziell?«
»Ich bin private Bürgerin.«
»Also kann ich melden, was Sie sagen? Ohne daß es Theater gibt?«
»Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor, Mr. Simms. Sie helfen mir, und falls sich herausstellt, daß die Sache Auswirkungen auf den Fall Kitchener hat, informiere ich Sie, ehe die Polizei eine Stellungnahme veröffentlicht. Interessiert?«
Er starrte sie für eine ganze Weile an; die Wißbegierde des Reporters rang mit den auferlegten Beschränkungen. »In Ordnung«, sagte er. »Ich dachte allerdings, die ganze Sache wäre abgeschlossen. Nicholas Beswick hat es getan.«
»Das scheint ziemlich sicher, ja.«
»Was möchten Sie dann von mir?«
»Eine Suche im Zeitungsarchiv. Ich möchte herausfinden, ob es sonst noch zu nachrichtenwürdigen Vorfällen auf Launde Abbey gekommen ist, besonders in der Zeitspanne zwischen vier und fünfzehn Jahren in der Vergangenheit.«
Simms wirkte gründlich verstimmt. »Typisch für mein Glück! Mrs. Mandel, hätten Sie um irgend etwas anderes gebeten, hätten wir Ihren Wunsch erfüllen können. Aber das ist ausgeschlossen; tut mir leid.«
»Ihre Unterlagen können nicht dermaßen vertraulich sein«, meinte sie. »Ich möchte doch nur sehen, was früher gemeldet wurde.«
»Es ist keine Frage der Vertraulichkeit. Sie verstehen mich falsch. Ich möchte ja helfen, aber …« Er deutete auf das Marconiterminal auf seinem Schreibtisch. »Wir haben die Daten nicht mehr in unserem Speicherkern.«
»Das kommt mir seltsam vor.«
»Im Grunde war es einfach Pech. Sehen Sie, wir waren bis 2005 eine richtige Zeitung in Druckerschwärze auf echtem Papier; dann stiegen wir darauf um, im örtlichen Datentextkanal zu senden, genau wie alle übrigen Regionalzeitungen. Unsere Artikel laufen achtundvierzig Stunden lang, aber die aktuellen Meldungen werden notfalls alle drei Stunden aktualisiert. Es ist ein gutes System; man kann es mit jedem Cybofax empfangen. Wir kommen auf einen großen Datendurchsatz und können einfach alles bringen, von Geschichten wie dem Mord an Edward Kitchener bis zu den Ergebnissen einer Blumenausstellung auf dem Dorf, und wir brauchen uns dabei nie um die Kapazität zu sorgen, wie es früher auf Papier der Fall war. Jede nur vorstellbare Information, für die sich die Menschen hier interessieren könnten, steht zur Verfügung. Bei dem dabei anfallenden Datenvolumen war natürlich alles in einem Lightware-Speicher abgelegt.« Er preßte die Kiefer zusammen. »Als dann die PSP stürzte, kam irgendein Scheißnetzjockey daher und hat ihn zum Absturz gebracht. Er hat sogar eine Nachricht hinterlassen, die besagte, er hätte es getan, weil wir ein Instrument der Parteipropaganda gewesen wären. Jesus, wenn er nur gewußt hätte, was wir durchgemacht haben, um Inhalte am PSP-Zensor vorbeizubekommen! Wir waren vielleicht nicht auf der Straße, um uns mit den Volkspolizisten zu prügeln, Mrs. Mandel, aber wir haben unseren Beitrag geleistet. Verdammt, das war nicht fair! Wer zum Teufel war er eigentlich, daß er sich zum Richter aufgeschwungen hat?«
»Also liegen gar keine örtlichen Aufzeichnungen aus den PSP-Jahren vor?« fragte Eleanor.
»Nein. Wir haben eine komplette Mikrofiche-Bibliothek der Zeitungsausgaben, die von 2005 bis etwa 1750 zurückreicht, einige Ausgaben sogar noch weiter – man sollte es kaum glauben. Und wir verfügen heute über einen dreifachen Lightware-Speicher mit den Ausgaben der letzten vier Jahre. Zwischen beiden Archiven klafft eine Lücke von fünfunddreißig Jahren, und es gibt überhaupt keine Möglichkeit, sie zu schließen. Es ist wirklich blöd. Es ist unsere örtliche Geschichte, die sie umgebracht haben.«
Eleanor konsultierte Gabriel, die nachdenklich die Stirn runzelte. »Ich wußte bislang nur von den Netzjockeys, die den Mainframe des Ministeriums für Öffentliche Ordnung zum Absturz gebracht haben«, sagte sie.
»Was ist mit Ihnen, Mr. Simms?« wollte Eleanor wissen. »Sie haben die Region doch während dieser Zeit betreut. Erinnern Sie sich an irgend etwas, was draußen auf Launde Abbey passiert ist?«
»Ich war in Birmingham, als die PSP-Herrschaft begann. Erst vor sieben Jahren bin ich wieder hierher zurückgekommen. Aber nein, ich kann mich an nichts erinnern. Kitchener selbst wurde
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