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Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Titel: Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Parlament anzuschließen. Julia ertappte sich dabei, wie sie seinen Vortrag bewunderte. Marchant vermied rhetorische und schauspielerische Emphase; die Worte strömten einfach aus ihm heraus. Als sie an die Reihe kam, rief sie die eigene Rede auf und übertrug sie direkt vom Netzknoten an die Stimmbänder; sie versprach, das Raumfahrtprogramm auch künftig unvermindert zu finanzieren, und umriß kurz die Projekte, die in den nächsten drei Jahren in Angriff genommen werden sollten – eine größere Wohnstation in niedriger Umlaufbahn, das erweiterte wissenschaftliche Programm, der Bau eines bemannten Asteroiden-Erkundungsfahrzeuges –, und sie schaffte es sogar, noch einen Scherz über einen der Technikerlehrlinge einzubauen, den seine Kollegen vor ein paar Monaten an einen Hebezug gehängt hatten. Damals war sie gerade auf einer Inspektionstour durch Gebäude eins gewesen. Die Bemerkung brachte ihr dankbaren Jubel aus dem Abschnitt der Tribünen ein, wo die Arbeiter und ihre Familien saßen.
    Für die eigentliche Feier übergab sie dann an Prinz Harry. Er erhielt mehr Applaus als sie. Aber andererseits ging es Angehörigen des Königshauses immer so. Seit der Zweiten Restauration betrachtete das Volk sie als Kontinuitätsgarantie zur Vergangenheit; sie waren ein Symbol der guten Zeiten, als es noch keine Erwärmung und keine PSP gegeben hatte. Jetzt waren sie wieder da, und das Leben begann von neuem.
    Das Tor von Gebäude eins fuhr bedächtig auf, als Prinz Harry auf dem Sockel den Schalter drückte; eine Band stimmte das ›Zarathustra‹-Thema an – man hätte es fast vermuten können –, und der Raumgleiter der Clarke- Klasse tauchte in der Nachmittagssonne auf, begleitet von einem Trupp Ingenieure in makellosen weißen Overalls. Die Maschine war ein Deltaflügler mit fünfzig Metern Spannweite und sechzig Metern Rumpflänge; der metallokeramische Rumpf war überall rauhreifweiß, abgesehen von den scharlachroten Dragonflight-Wappen am Seitenleitwerk. Zwei stromlinienförmige zylindrische Gondeln gingen nahtlos in die Unterseite über: die geschlossenen Luftansaugstutzen. Die Steuerraketenbündel des Reaktionstriebwerks an der Schnauze und rings um die keilförmigen Schalentüren am Heck waren unter Schutzbekleidungen versteckt, an denen noch Anhänger mit der Aufschrift Vor dem Flug entfernen baumelten.
    Julia klatschte mit, unwillkürlich beeindruckt. Der Raumgleiter war gigaleitergetrieben, der erste seiner Art, und konnte fünfzig Tonnen auf eine Umlaufbahn bringen, ohne ein einziges Kohlenwasserstoffmolekül zu verbrennen und damit die kranke Atmosphäre weiter zu schädigen. Bei Event Horizon lagen schon Bestellungen für zweihundertsiebenundzwanzig Maschinen dieses Typs vor, wozu Optionen auf weitere dreihundert kamen.
    Die Maschine war eine Ikone des neuen Zeitalters, das der Gigaleiter eröffnete. Dieses Energiespeichersystem war die ideale, billige, leicht herzustellende grüne Lösung der Energieprobleme, vor die sich die Welt nach der Erwärmung gestellt sah – eine Welt, in der Feindseligkeit gegenüber Erdöl und Kohle einen greifbaren, gelegentlich tödlichen Aspekt des Lebens bildete. Und Event Horizon hatte das weltweite Patent; jedes Kombinat, jedes Unternehmen und jede Staatsfabrik des Planeten bezahlte Julia für das Privileg, diese Technik zu produzieren. Die Patentgebühren betrugen schon zwei Milliarden Eurofrancs pro Jahr, dabei gab es den Gigaleiter erst seit dreiundzwanzig Monaten. Jede Nation beeilte sich, ihre Verkehrssysteme auf dieser Grundlage neu zu strukturieren.
    Julia hatte schon künstlerische Entwürfe der kommerziellen Überschalljets gesehen, die in den Aerospace-Abteilungen der Kombinate entwickelt wurden, lange, pfeilförmige Nadeln, die wie vergrößerte Raketen wirkten und die Flugzeit von Kontinent zu Kontinent auf weniger als eine Stunde verringerten. Die Autofirmen, die überlebt hatten, waren scharf darauf, neue Modelle auf den Markt zu bringen, und rüsteten Fabriken neu aus, die fast fünfzehn Jahre lang außer Betrieb gewesen waren. Die Rollerverkäufe boomten bereits.
    Julia schritt in Gesellschaft des Premierministers und Prinz Harrys die Stufen des VIP-Podiums hinunter. Geringere Würdenträger folgten ihnen. Sie wahrte eine schön gefaßte Miene, während sie die Leute rings um den Raumgleiter herumführte und auf interessante Punkte hinwies. Diesmal war sie dankbar für die eiserne Disziplin, die sie im Schweizer Internat erworben hatte. Aber es war

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