Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
am Champagner und betrachtete sich die Zuschauermenge, die um den Raumgleiter unter ihr herumlatschte. Es waren vor allem Familien, Eltern, die ihre eifrigen Kinder herumführten und schließlich unter dem Bug der Maschine Photos machten. Die Teams von fünf verschiedenen Nachrichtensendern nahmen ihre Reporter vor dem Raumgleiter als Hintergrund auf.
Patrick kam vom Buffettisch herüber. »Du solltest was essen«, sagte er, den Mund voller Garnelen und Kopfsalat.
»Ich dachte, du magst keine fetten Mädchen«, erwiderte sie.
»Das tue ich auch nicht.« Ein Schimmer trat in seine Augen, den sie ziemlich gut kannte. »Wie lange müssen wir hierbleiben?«
»Mindestens noch eine Stunde. Hab Geduld. Es könnte sich lohnen.«
»Es könnte?«
»Yah«, sagte sie schleppend.
»In Ordnung.« Er verschlang sie mit hungrigem Blick.
Sie lächelte ihn an. Es wäre aufregend gewesen, sich in eines der leerstehenden Büros weiter oben zu schleichen. Aber überall gab es Überwachungskameras, und die Erfahrung lehrte Julia, daß Rachel sie niemals allein aus dem Salon gehen lassen würde.
»Ich denke, ich ziehe jetzt lieber meine Nummer als fröhliche Gastgeberin durch«, sagte sie resigniert. Die meisten Leute im Salon waren so viel älter als sie, was bedeutete, daß sie sich auf leichte Konversation oder Geschäftliches beschränken mußte. So langweilig! Sie hatte eben noch Katerina und Antonia und Laura mit ihren Jungs herumlaufen gesehen, aber sie schwatzten inzwischen bestimmt mit den Fernsehstars. Damit konnte Julia auch nichts anfangen; die Magie der silbernen Bildschirme verblaßte im wirklichen Leben rasch, hatte sie festgestellt. Greg und Eleanor standen auf der anderen Seite des Salons bei Morgan Walshaw und Gabriel Thompson, der Frau, mit der er zusammenlebte. Greg machte einen unbehaglichen und ernsten Eindruck, aber schließlich verabscheute er es, Anzug und Krawatte tragen zu müssen. Sie traf Anstalten hinüberzugehen; wenigstens konnte sie Greg necken.
»Miss Evans.«
Das Drängen in dieser Stimme überraschte sie. Es stand in solchem Kontrast zur Stimmung des Tages. Sie drehte sich um.
Es war Dr. Ranasfari. Julia seufzte insgeheim, achtete aber sorgfältig darauf, keine Enttäuschung zu zeigen. Mit Ranasfari konnte sie nicht einmal konversieren. Der große drahtige Physiker war fünfundvierzig, wie immer gut gekleidet, diesmal in hellgrauem Anzug, weißem Hemd und rosa Krawatte, die gut zur Farbe von Julias Kostüm paßte. Sein dunkles Gesicht wirkte angespannt; die braunen Augen blinzelten unaufhörlich, und das glänzende schwarze Haar schimmerte unter den hellen Bioleuchtplatten des Salons in geisterhaftem Blau.
Dr. Ranasfari war auch einer von diesen Leuten, bei denen Julia immer das Gefühl hatte, daß sie sie beeindrucken mußte. Obwohl sie bezweifelte, daß viele Leute fähig waren, auf Ranasfari Eindruck zu machen. Er war das leitende Genie des Forschungsteams, das den Gigaleiter für Event Horizon produziert hatte. Er hatte zehn Jahre dafür gebraucht, aber Julias Großvater hatte nie daran gezweifelt, daß er es schaffen konnte.
»Der Mann engagiert sich«, hatte Philip Evans ihr einmal erklärt. »Er ist entsetzlich langweilig, Juliet, aber er engagiert sich. Das macht ihn so besonders. Er würde zur Not sein ganzes Leben lang an einem Projekt arbeiten. Es ist unser Glück, daß wir ihn haben.«
Nachdem der Gigaleiter aller Welt bekanntgegeben war und kein Bedarf mehr an völliger Sicherheit bestand, hatte sie für Ranasfari einen Laborkomplex in Cambridge errichtet und ihm ein Budget von zwanzig Millionen Pfund New Sterling pro Jahr bewilligt, das er für Projekte seiner Wahl ausgeben konnte. Zur Zeit arbeitete er an einer direkten Wärmekopplung, einer Festkörperfaser, die Wärmeenergie direkt in elektrischen Strom umwandelte und damit alle konventionellen Turbinen und Generatoren überflüssig machte. Allein die Anwendungsmöglichkeiten für die Gewinnung von geothermischer Energie waren kolossal. Hätte er Julia um fünfzig Millionen im Jahr gebeten, hätte sie sie ihm bewilligt.
»Keinen Drink, Cormac?« fragte sie locker. Er erhob nie richtig Einwände dagegen, daß sie ihn mit dem Vornamen anredete, obwohl sie für ihn immer Miss Evans war. »Sie sollten wirklich wenigstens ein Glas trinken; das ist ebenso Ihr Tag wie meiner.«
Seine Lippen zuckten nervös, und die schneeweißen Zähne blitzten dabei kurz auf. »Danke, nein, Miss Evans, ich muß wirklich mit Ihnen reden.«
Sie
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