Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
leiten hatte etwas absolut Aufregendes an sich.
Philip Evans, ihr Großvater, begann schon einen Monat nach dem Sturz der PSP mit dem Bau des Instituts.
Er glaubte leidenschaftlich daran, daß die Raumfahrtindustrie der Katalysator für die Wiederbelebung der Wirtschaft des Landes nach der Erwärmung sein würde. Sein Ziel war es, ein Zentrum für herausragenden Sachverstand zu gründen, in dem jeder Zweig der Raumfahrtindustrie kultiviert und weiterentwickelt werden konnte, um sicherzustellen, daß Event Horizon technisch völlig unabhängig blieb.
Materialverarbeitung in Mikroschwerkraft hatte sich schon als enorm profitabler Wirtschaftszweig etabliert. Ständig wuchs die Anzahl von Fabrikmodulen im Orbit, die Ware- Chips, Kristalle, exotische Verbindungen und superstarke Monofasern ausspuckten, sogar auf dem Höhepunkt der globalen Rezession, die auf die Erwärmung folgte. Die Rohstoffe für die Fabriken mußten jedoch von der Erde hinaufgebracht werden und dabei auf ganzer Strecke gegen die Gravitation ankämpfen. In Philip Evans’ Vision hatte die Revolution des Gigaleiters die Startkosten auf einen Bruchteil dessen reduziert, was die chemisch angetriebenen Startraketen benötigten, und dadurch die Gewinnspanne gleich um mehrere Größenordnungen nach oben getrieben. Damit, so lautete seine Vorhersage, wurde auch die Ausbeutung der extraterrestrischen Ressourcen wirtschaftlich machbar, und er war entschlossen, England zum Wegbereiter einer Erschließung des Sonnensystems zu machen, mit Event Horizon an vorderster Front. Julia hatte diese Überzeugung zusammen mit der materiellen Realität geerbt.
Und so fuhr sie in den zwei Jahren seit seinem Tod damit fort, Geld und Ressourcen ins Institut und seine ehrgeizigen Programme zu stecken, ungeachtet des ganzen Drucks und der Kritik aus dem Finanzkonsortium des Konzerns. Jetzt reifte die erste Phase ihres Plans heran, und der Himmel allein wußte, wie viele kleine Rückschläge und Verzögerungen dem vorausgegangen waren.
Heute war der Tag, an dem sie diesen weinerlichen Ignoranten ein für allemal den Mund stopfen würde. Aus schierer Begeisterung darüber hätte sie am liebsten gesungen und geschrien. Wenn schon nichts sonst, stand Patrick heute abend die Nacht seines Lebens bevor.
Der riesige Parkplatz von Gebäude eins war randvoll mit Minibussen des Konzerns und endlosen Reihen von Rollern – Privatautos waren nach wie vor eine Rarität. Der Rolls fuhr daran vorbei und hinaus auf die Betonwüste hinter dem Gebäude. Man hatte für diesen Anlaß zwei lange Zuschauertribünen auf dem Vorplatz errichtet und mit Markisen aus rot und weiß gestreiftem Segeltuch gegen mögliche Schauer gesichert. Die Tribünen bildeten einen breiten Boulevard, der an der riesigen mehrteiligen Schiebetür von Gebäude eins seinen Ausgang nahm. Siebentausend geladene Gäste erwarteten Julia: Institutspersonal und dessen Familien, Spitzenkräfte von der Mehrheit der Kombinate, Fernsehstars, Politiker, der Premierminister, Prinz Harry und sogar ein paar Freunde.
Am äußeren Ende des Boulevards erhob sich ein Pressestand. Jeder Platz dort war besetzt, was bei Julia ein letztes nervöses Flattern erzeugte.
Insgeheim hatte sie gehofft, die Reporter wären nach dem folgenschweren Wochenende alle noch oben in Schottland.
Über einhundert Kameras schwenkten ein, als der Rolls am VIP-Podium neben dem Tor von Gebäude eins vorfuhr. Julia holte Luft, als der Hauptgeschäftsführer des Instituts herbeieilte, um ihr die Tür zu öffnen; dann stieg sie mit einem professionellen Lächeln aus.
Julia war dankbar, daß zusammengestückelte Wolken und starker Wind die Januarhitze senkten. Wäre es nach ihr gegangen, hätte überhaupt keine Feier stattgefunden, aber die Politik diktierte ein anderes Verhalten, und die Arbeitskräfte brauchten irgendeine Art Anerkennung für ihre Bemühungen. Also saß sie geduldig da, während das Segeltuch über ihr lärmend flatterte und übertrieben aufgedonnerte Frauen verstohlen die breiten Hüte festhielten.
Der Premierminister David Marchant hielt die erste Ansprache; er war ein würdevoller Mann von zweiundfünfzig Jahren in einem blaugrauen Anzug, die Verkörperung ruhiger Kompetenz. Er lobte Philip Evans und Julia für ihre Voraussicht und ihren Optimismus, ging dann auf die Arbeitskräfte ein und beglückwünschte sie zu ihrer Professionalität, um dann noch ein paar politische Bemerkungen gegen die drei wichtigsten Oppositionsgruppen im
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