Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
beneidet hätte. Seine Familie war reich, eine typische europäische Finanzdynastie mit Anteilen an Schiffahrts- und Bauunternehmen sowie an Technikunternehmen mittlerer Kategorie, und sie arbeitete mittels anonymer Büros in Zürich und Österreich. Geld war bei Patrick also nicht mehr ganz so ein Thema wie bei ihren früheren Freunden. Er hatte gerade in Oxford einen Abschluß in Wirtschaftsorganisation gemacht, was ihm ein nettes selbstbewußtes Flair vermittelte. Zählte man noch seine flotte Art und seinen wunderbar entwickelten Sinn für Vergnügen hinzu, machte ihn das praktisch unwiderstehlich.
Vor fünf Wochen hatte sie ein Party besucht, auf der sie mithörte, wie seine ehemalige Freundin Angela Molloy prahlte, er hätte die brünstige Ausdauer eines Bullen im Frühling. In den folgenden vierzehn Tagen hatte es den Anschein, als könnte Patrick keine Party und keinen Club aufsuchen, ohne auf Julia zu treffen. Es war unheimlich; man hätte glatt vermuten können, daß das Schicksal sie füreinander bestimmt hatte. Sobald ihm klar wurde, wie viele gemeinsame Interessen sie hatten, war die logische Folge, sie um eine Verabredung zu bitten.
Und Angela hatte vollkommen recht gehabt.
»Sie haben jedes Recht, hier zu sein«, sagte Julia in neutralem Ton. »Unser Land hat einen entsetzlichen Preis gezahlt, damit die Menschen wieder Meinungsfreiheit erhielten, wie extrem oder unerfreulich ihre Ansichten auch sind. Nur PSP- Apparatschiks versuchen, Leute für das zu unterdrücken, was sie denken.« Ruhig erwiderte sie Rachels Blick und erkannte die sorgfältig beherrschte Erheiterung in den Zügen der Hardlinerin.
Patrick erbleichte etwas bei diesem Vorwurf und wirkte für einen Augenblick wie ein Fünfjähriger, dessen Schokolade konfisziert worden war. »Ja«, sagte er vorsichtig. »Aber mir gefällt es nicht, wenn sie sich so zu dir äußern.«
Julia nickte kurz. Es brachte beträchtlichen Gewinn, wenn man Jungs im Ungewissen darüber ließ, wo genau sie standen. So wußten sie immer, wer das Kommando führte.
Sie beugte sich über Patrick, um sich die Transparente genauer anzusehen, die draußen geschwenkt wurden. Das war eigentlich nicht nötig, da auf beiden Straßenseiten Demonstranten standen, aber der Winkel bot Patrick einen guten Einblick in ihr Dekollete. Sie unterdrückte ein Lächeln, als sie entdeckte, wie sein Blick in ihren Ausschnitt wanderte. Mr. Weltmann unterschied sich nicht von all den anderen, war nur Mr. Hormon in Maske. Leichte Beute.
Sie las einige der Transparente. Die üblichen Obszönitäten und primitiven Karikaturen waren in gelben und rötlichen Fluorfarben aufgemalt. Dann mußte sie kichern.
»Was ist?« fragte Morgan. Er blickte forschend zum Fenster hinaus.
»Das da.« Sie zeigte es ihm.
Ein rothaariger Jugendlicher in blauem Sweatshirt hielt ein Tangkarton-Transparent, auf dem stand:
Julia gehört schon die Erde,
gebt ihr nicht auch noch die Sterne!
Konzernsicherheitsposten salutierten forsch, als der Konvoi das erste der zehn Tore zum Raumfahrtinstitut durchquerte. Die Polizeieskorte schwenkte ab, und der Rolls fuhr allein zu Gebäude eins weiter. Der kreisförmige Bau bestand aus einem Außenring mit Verwaltungsbüros, Labors, Entwicklungsbüros, Computerzentren, Hangars für den Einbau kybernetischer Systeme sowie Testeinrichtungen; er war fünf Stockwerke hoch, hatte achthundert Meter Durchmesser und zeigte der Außenwelt eine polierte Klippenwand aus grünsilbernem Glas. Eine pechschwarze Kuppel aus Solarzellen überdachte eine zentrale Montagehalle für Raumfahrzeuge.
In der Ferne erblickte Julia Gebäude zwei, einen Zwillingsbruder von eins, bislang aber noch nicht bezogen; die Bauunternehmen waren gerade damit beschäftigt, die Gerüste abzubauen – eine Woche zu spät, und sie würden dafür eine saftige Vertragsstrafe zahlen müssen. Der Computerentwurf von Gebäude drei war bereits weit fortgeschritten; es war so groß geplant, daß man seine beiden Vorgänger bequem hätte hineinpacken können.
Der Anblick des Instituts begeisterte Julia immer wieder; die schiere Größe, mit der es sich über den Standort des alten Imperial War Museums ausbreitete und sich jetzt allmählich Richtung Thriplow vorarbeitete, kam einer spektakulären Absichtserklärung gleich. Event Horizon erhob hier vor aller Augen seinen Anspruch auf die Zukunft und erweckte den alten Traum von der Erschließung des Weltraums wieder zum Leben. Ein solch grandioses Unternehmen zu
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