Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Umsicht kann nicht schaden, Julia. Ich weiß, daß Sie ziemlich geschickt sind, weshalb mich Ihre jüngste Aktion etwas verwirrt hat.«
Sie warf Sean unauffällig einen fragenden Blick zu, aber er zuckte nur ganz leicht die Achseln.
»Welche Aktion?«
»Zu verlangen, daß dieser Mindstar-Veteran, dieser Greg Mandel, in die Kitchener-Ermittlungen eingeschaltet wird. Das war schrecklich öffentlich, Julia. Sie waren seine Brautjungfer. Also wirklich! Damit haben Sie die Hetzer und Verschwörungstheoretiker förmlich herausgefordert.«
Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Woher wissen Sie von Greg?«
»Es kam in allen Fernsehnachrichten.«
»Oh.« Trotzdem war komisch, daß er so schnell davon erfahren hatte. Sie hatte den größten Teil des Vormittages damit zugebracht, Daten für die Konferenz zu büffeln, und das mit Netzknoten, die ihre Gehirnleistung verstärkten. Ließ er sich wirklich auf jede einzelne Nachricht aufmerksam machen, die Event Horizon betraf? Dann fiel ihr wieder Jakki Miststück Coleman ein. Letztlich hatten ihre Vorbereitungen also doch nicht jede Minute in Anspruch genommen. »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen, Karl. Tatsächlich habe ich die Schadensbegrenzung schon eingeleitet.«
»Mandel wurde vom Fall abgezogen?«
»Nein, ich muß erfahren, wer Kitchener umgebracht hat. Aber Sie werden nichts mehr über die Verbindung zwischen Greg und mir erfahren, jedenfalls nicht aus dem Fernsehen.«
»Ah, ich freue mich, das zu hören.«
Kapitel neun
Nicholas war an seiner Umgebung eigentlich nicht mehr interessiert, also registrierte er das kleine Verhörzimmer überhaupt nicht, bis Greg Mandel ihn ansah. Oder eher in ihn hineinblickte, glatt durch den Schädel ins Gehirn.
Die Anwältin Lisa Collier hatte ihm erklärt, daß man einen Übersinnlichen zu den Ermittlungen hinzugezogen hatte. Sie schien darüber sehr wütend zu sein und hatte in einem fort darauf herumgehackt, wie seine Rechte verletzt würden, sich Unregelmäßigkeiten ins Verfahren einschlichen und man Hörensagen als Beweis verwendete. Nicholas machte die Berufung eines Übersinnlichen nichts aus; alles, einfach alles, was dazu beitrug, den Mörder der Gerechtigkeit zuzuführen, war vollkommen richtig. Eine einfache, für jeden erkennbare Logik. Wieso sah diese Collier das nicht ein?
Seit Freitag wohnte er in einer der Zellen der Polizeiwache von Oakham, obwohl die Tür unverschlossen blieb. »Sie befinden sich nicht in Untersuchungshaft«, erklärte die Polizei ihm immer wieder. »Sie sind nur hier, um uns zu helfen.« Er nickte ihren besorgten Gesichtern zu und beantwortete jede Frage, die die Detectives ihm stellten. Sie schienen überrascht, daß seine Antworten in sich so schlüssig waren. Als ob er irgend etwas von dem vergessen könnte, was an jenem Abend passiert war!
Es war die letzte Nacht seines Lebens gewesen. Nichts war ihm seit dem mehr widerfahren. Nur noch die Mechanik des Körperlichen fand statt, essen, auf die Toilette gehen, schlafen. Mehr hatte er seitdem nicht mehr getan, nur geschlafen und Fragen beantwortet. Er durfte mit den übrigen Studenten Umgang pflegen, aber sie erwarteten von ihm ohnehin nie, daß er etwas sagte. Sie jammerten über die Unterbringung, darüber, daß sie nicht hinausgehen durften, über das Essen, das Badezimmer.
Der einzige Mensch, mit dem er gern geredet hätte, Isabel, war inzwischen weiter von ihm entfernt als je zuvor auf Launde. Sie saß immer nur in einer Ecke des Aufenthaltsraumes, den man ihnen zugewiesen hatte, die Beine an die Brust hochgezogen, und blickte ausdruckslos zum Fenster hinaus; und Nicholas saß stets in der Ecke gegenüber und starrte Isabel an. Er hatte zuviel Angst, um auch nur guten Morgen zu sagen, denn falls sie sich unterhielten, müßte er hören, was mit ihr und Kitchener und Rosette gewesen war. Was in diesem Schlafzimmer geschehen war, wie oft es passiert war. Sogar warum es passiert war. Er hätte das einfach nicht ertragen können.
Kitchener war der Architekt seines Denkens. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Nicholas wirklich angefangen, klar zu denken. Mit der ihm eigenen Liebe zum Wissen hatte Kitchener sein Talent gefördert, ihm die Erkenntnis vermittelt, daß seine Fähigkeit nichts war, dessen er sich schämen müßte, daß sie nichts Abnormes war, wie die Leute sagten. Kitchener war es gewesen, der Nicholas ermutigt hatte, sich in die Kameradschaft auf der Abtei einzufügen.
Kitchener hatte ihm Isabel
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