Mindstar 03 - Die Nano-Blume
hatte, wie sie Morgan Walshaw den Arm verdreht hatte, damit er nach Mucklands ging, dann die beiden jungen Burschen, die sie zur Zeit hinhielt – all diese Dinge liefen in ihren Gedanken Amok und blähten das ursprüngliche Gefühl überproportional auf. Eine nicht zu bremsende Steigerungsspirale.
Das Innere des Turms bot einen tristen Anblick. Die Wände der Eingangshalle waren mit Einschlagslöchern von Kugeln übersät, und keine der Bioleuchttafeln brannte mehr. Ein Riese hatte die beiden Fahrstuhltüren eingetreten und das polierte Metall verbogen und zerrissen. Die Schächte dahinter lagen in undurchdringlicher Schwärze.
»Hier hindurch«, sagte Greg zögernd. Er stemmte die Schulter gegen die Tür zum Treppenhaus. John Lees und Martyn Oakly mußten jedoch helfen, ehe sie sich endlich ruckelnd weit genug öffnete, daß sie hindurchschlüpfen konnten.
Dahinter lag ein Wirrwarr von Möbeln aufgehäuft, daneben zwei Leichen: Trinities, Burschen in den späten Teenagerjahren. Julia wandte rasch den Blick ab; die beiden hatten an dem Möbelhaufen herumgezerrt, um nach draußen zu kommen. Ihre Rücken waren mit Lasereinschüssen übersät.
Als die Gruppe den elften Stock erreichte, schwitzte Julia heftig unter der schweren Uniform, und ihr Atem ging in tiefen Schlucken. Niemand sonst beschwerte sich, nicht einmal Morgan Walshaw, der über sechzig war, also schwieg sie auch. Sie erkannte jedoch den Unterschied zwischen echter Fitness, wie sie die Hardliner hatten, und ihrer eigenen Verfassung, für die sie die Trainingsroutine eines Hollywoodstars abspulte, um den Bauch flach und den Hintern schmal zu halten. Es war schon verdammt peinlich; sie war die jüngste in der Gruppe.
Greg bat mit erhobenem Arm um Ruhe und deutete auf die Tür, die hinaus auf den Flur führte. »Da ist jemand, ein paar Meter hinter der Tür. Er hat große Schmerzen, ist aber bei Bewußtsein.«
»Was sollen wir unternehmen?« fragte Morgan Walshaw.
»Wäre eine schlechte Taktik, wenn man riskierte, daß der Feind einem den Fluchtweg abschneidet.«
Morgan Walshaw brummte zustimmend und gab John Lees einen Wink. Der Hardliner zog den Uzi-Handlaser und drückte sich neben der Tür flach an die Wand. Greg probierte den Türgriff, nickte dann einmal und zog die Tür auf. Mit einer schnellen, professionellen Körperdrehung schlüpfte John Lees durch den Spalt.
Es erstaunte Julia immer wieder, wie schnell ihre Leibwächter waren. Es schien, als verfügten sie über zwei Reaktionsweisen, eine für den alltäglichen Gebrauch, die andere ein System beschleunigter Reflexe für Kampfsituationen. Sie hatte Morgan Walshaw einmal gefragt, ob es daran lag, daß die Hardliner Drogen bekamen, aber er hatte nur auf eine Art gelacht, die sie ärgerte, und gesagt, nein, es wäre vielmehr kontrollierte Angst.
»Alles klar!« rief John Lees.
Es war ein Junge Anfang zwanzig, der die armselige Kopie eines Armeekampfanzuges trug. Er saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt und hatte den Helm abgenommen. Beide Beine waren gebrochen, die lederne Hose zerrissen. Ein dickes Band aus schmerzstillendem Schaum war über die Schenkel gesprüht. Der Betonboden unter ihm war blutig. Das Gesicht des Jungen war kalkweiß und schweißgebadet, und er zitterte heftig.
»Ein Blackshirt«, sagte Greg tonlos.
Der Junge blickte Julia verständnislos in die Augen. Er war im selben Alter wie Patrick Browning, einer ihrer derzeitigen Liebhaber. Noch nie war sie einem ihrer eingeschworenen Feinde so nahe gewesen. Brandbombenanschläge durch Blackshirts gegen ihre Fabriken in Peterborough waren ein alltägliches Ereignis, und die zusätzlichen Sicherheitskosten und Versicherungsprämien waren ein echter Fluch.
»Tut ihm nicht weh«, sagte sie mechanisch.
Der Junge starrte sie weiter wie gebannt an.
»Dein Glückstag«, erklärte ihm Greg ausdruckslos. »Zu meiner Zeit habe ich gegen eine ganze Menge deiner Kameraden gekämpft.« Er drückte dem Jungen eine Spritze an den Hals, und der Kopf kippte nach vom.
»Die Armee wird ihn einsammeln, wenn sie den Turm durchkämmt«, sagte Morgan Walshaw. »Er sollte überleben.«
Sie stiegen weiter die Treppe hinauf bis zum zwanzigsten Stock. Greg blieb vor der Tür zum Zentralkorridor stehen und schloß die Augen. Julia hörte ihr Herz hämmern. Rachel zog ihren Blick auf sich und blinzelte ermutigend.
»Lebt er noch?« fragte Julia.
Gregs Augen gingen flatternd auf. »Yeah.«
Julia schluchzte erleichtert auf. Die Ereignisse
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