Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
Vom Netzwerk:
Plastik. Land Rover und Ambulanzfahrzeuge standen davor, und Sanitäter liefen zwischen den blutigen Gestalten auf den Tragbahren herum. Die leeren weißen Plastikhüllen von Erste-Hilfe-Einwegmodulen lagen überall verstreut – der merkwürdigste Eindruck dieses Tages: eine Staubschicht aus Riesenschneeflocken.
    Zum erstenmal hörte Julia die Geräusche, die der Schlacht folgten. Das Stöhnen und die Schreie der Verletzten. Sie trieben Eisdornen des Schuldgefühls in ihren Leib.
    »Morgan«, sagte sie mit dünner Stimme.
    Er drehte sich zu ihr um, und sie erkannte aufrichtige Besorgnis in seinen Zügen. Ungeachtet der vierzig Jahre Altersunterschied hatte sie ihn schon immer zu ihren engsten Freunden gezählt.
    »Was ist?« fragte er. Anspannung lag in seinem Tonfall. Er war ehemaliger Soldat. Verspätet fragte sie sich, welche Erinnerungen dieser Besuch in ihm wecken mußte.
    »Ich würde gern etwas für die Überlebenden tun. Nach der Notfallbehandlung durch die Sanitäter werden sie richtige medizinische Betreuung brauchen. Wahrscheinlich auch Anwälte.«
    »Ich kümmere mich darum, wenn wir hier fertig sind.« Er fiel ein Stück zurück, um wieder an ihrer Seite zu gehen. »Können Sie das durchhalten?«
    »Ich schaffe es.«
    Er legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie kurz, eine Geste des Trostes.
    »Das ist es«, informierte Greg sie über die Schulter. Er deutete auf einen Hochhausblock direkt vor ihnen.
    Das Gebäude war identisch mit allen anderen, die noch standen: Zwanzig Stockwerke, bedeckt mit einer Schicht aus schiefergrauen, relativ leistungsschwachen Solarzellen. Die meisten Fenster waren herausgesprengt. Auf etlichen Stockwerken waren Brände gelöscht worden; Julia sah die Rußflecken, die sich wie schwarze Flammen aus den zerborstenen Fenstern nach oben zogen; unter der Hitze waren die umliegenden Solarzellen geschmolzen und verbogen worden.
    »Muß hier mörderisch zugegangen sein«, brummte Greg.
    Die ausgebrannten Wrackteile eines altmodischen Sturmhelikopters lagen fünfzig Meter vor dem Turm auf dem Boden verstreut. Julia betrachtete sie verwirrt. Sturmhelikopter? In einem Bandenkrieg? Drei militärische Microlightgleiter lagen ringsherum zerstört auf dem Kalkstein, die Tragflächenmembranen von Laserfeuer zerfetzt.
    Mehrere Soldaten hielten vor dem Hochhaus Wache. Sie unterstanden einem Leutnant, der die Neuankömmlinge vor dem Haupteingang erwartete. Ein Geheimdienstoffizier, wie Julia wußte; im Verteidigungsministerium hatte man ihr versichert, er würde über die Notwendigkeit völliger Abschirmung informiert sein.
    Der Leutnant salutierte zackig vor Greg, machte dann aber große Augen, als er das Abzeichen der Mindstar Brigade auf Gregs Schulter entdeckte. Falls überhaupt, wurde er noch steifer. Julia fragte sich, was er tun würde, falls sie das eigene versilberte Helmvisier hob und ihm zeigte, wer sie war.
    Greg erwiderte den Gruß.
    »Niemand hat das Gebäude betreten, seit nicht mehr geschossen wird, Hauptmann«, sagte der Leutnant. »Anscheinend konnten jedoch am ersten Tag einige Blackshirts eindringen. Hier wurde heftig gekämpft; sie scheinen den Turm für wichtig gehalten zu haben. Soll mein Trupp ihn erst durchkämmen?«
    Morgan Walshaw blickte an der leeren grauen Klippe hoch, die vor ihnen aufragte. »Nein, danke. Geben Sie uns fünfundvierzig Minuten. Danach können Sie ein übliches Sicherungsverfahren einleiten.«
    »Ja, Sir.« Der Leutnant hatte die Abzeichen eines Brigadegenerals an Morgan Walshaws Uniform entdeckt.
    »Rühren, Leutnant«, sagte Morgan Walshaw sanft.
    Greg ließ den Leutnant draußen stehen und führte seine Gruppe in den Turm. Er bewegte sich wie ein Schlafwandler und hielt die Augen nur eine Spur offen. Julia wußte, daß er seine Biowaredrüse einsetzte, die Neurohormone in sein Gehirn pumpte, um die Psifähigkeit zu stimulieren; die außersinnliche Wahrnehmung überspülte den Turm, um andere Bewußtseinseinheiten zu entdecken und damit zu erkennen, ob irgendwo jemand im Hinterhalt lauerte. Greg sagte immer, er könnte keine einzelnen Gedanken lesen, sondern nur Gefühlszustände, aber Julia war davon bis heute nicht sonderlich überzeugt. Seine Gegenwart verschlimmerte stets ihre Schuldgefühle. Schon das Wissen, daß er sie in ihrem Bewußtsein lauern sehen konnte, brachte sie dazu, sich noch stärker auf Ereignisse zu konzentrieren, deren sie sich schämte: Wie sie gestern mit einer Hausangestellten auf Wilholm die Geduld verloren

Weitere Kostenlose Bücher