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Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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erschienen ihr kaum noch real; sie lagen so weit außerhalb ihres normalen Lebens. Sie hatte erwartet, Vorfreude zu spüren, aber empfand jetzt nur ein Gefühl der Scham und Verzweiflung. So viele waren gestorben, um diesen Augenblick herbeizuführen, meist Menschen ihres Alters, denen jede Zukunft, ob gut oder schlecht, versagt blieb. Und das alles für eine ergebnislose Schlacht in einem Krieg, der im Grunde schon seit vier Jahren vorüber war. Nichts von dem hier ergab strategischen Sinn; es war elementare tierische Blutgier.
    Der Flur war eine Trümmerwüste. Fenster gab es nicht, und der Bioleuchtstreifen war zertrümmert. Greg und Martyn Oakly brachten starke Taschenlampen zum Vorschein.
    Fünf Meter vor ihnen lag etwas, ein ungleichmäßiger Haufen. Zuerst glaubte Julia, einer der Hochhausbewohner hätte einen großen Sack mit Küchenabfällen fallengelassen; der Geruch von feuchtem Fleisch hing in der Luft. Dann sah sie, daß die Decke darüber aufgeplatzt war; drei glatte dunkle Kompositkegel waren aus der Spalte herabgeschossen. Ein zerschmetterter Helm lag am Boden neben ein paar Munitionsstreifen und einer Hand. Die Armbanduhr war noch daran.
    Julia erbrach sich heftig.
    Die nächste Minute nahm sie alles nur verschwommen war. Rachel Griffith hielt sie fest, während sie zitternd dastand. Alle versammelten sich voller Mitgefühl um sie. Sie wollte dieses Mitgefühl nicht. Sie war wütend auf sich, weil sie so schwach war. Diese Bloßstellung war ihr peinlich. Sie hätte nicht mitkommen sollen; es war dumm gewesen, auf diesem Machismo zu bestehen. Morgan Walshaw hatte recht gehabt, was sie nur noch wütender machte.
    »Alles okay mit Ihnen?« fragte Rachel Griffith.
    »Ja.« Sie nickte dumpf. »Tut mir leid.«
    Rachel blinzelte wieder.
    Verdammt ärgerlich.
    Julia faßte sich wieder.
    Greg drehte den Türgriff zu Zimmer 206, und die Tür ging glatt auf. Es folgte ein Flur, der schmaler war als der Korridor draußen, und dann waren sie in Royans Zimmer.
    Da sah Julia die Blumen. Es kam so unerwartet, daß sie die restliche Einrichtung kaum bemerkte. Der halbe Raum wurde von roten Tontrögen mit blühenden Pflanzen beansprucht. Sie erkannte einige – Orchideen, Fuchsien, Prunkwinden, Lilien und Petunien –, eine wunderschöne Ausstellung in leuchtenden Farben und mit kräftigen Blüten. Nicht ein einziges totes oder verdörrtes Blatt darunter. Versorgt wurden die Pflanzen von kleinen Robotern auf Rädern. Die Roboter sahen aus wie mobile Schrottskulpturen, wie verramschte Innereien hunderter verschiedener Haushaltsgeräte, zusammengeschraubt von einem fünfjährigen Problemkind. Aber die Scheren, Schläuche und Spaten, mit denen sie sonst herumfuhrwerkten, hingen reglos herunter. Aus irgendeinem albernen Grund hätte Julia sie gern in Aktion gesehen.
    Hinter den Blumentrögen verschwand eine Wand hinter einem Stapel alter Vakuumbildröhren, die aus ihren Gehäusen entfernt und in einen Metallrahmen eingebaut worden waren. Julia duckte sich unter Hängekörben mit Kapuzinerkresse und Springkraut hindurch. Sie entdeckte eine große Werkbank mit großen Roboterarmen an beiden Seiten. Stapel von Ware- Modulen, mit denen sie aus den Experimentallabors von Event Horizon vertraut war, bedeckten die halbe freie Bodenfläche.
    Eine Kamera auf einem Metallstativ verfolgte jede ihrer Bewegungen. Die faseroptischen Kamerakabel endeten in den schwarzen Modembällen, die Royans Augenhöhlen ausfüllten. Er saß mitten im Zimmer auf einem Zahnarztstuhl aus den 1950ern.
    Julia lächelte ihn sanft an. Sie hatte gewußt, was sie erwartete; Greg hatte es ihr mehrfach erklärt. Mit fünfzehn war Royan ein entschiedener Heißsporn unter den Trinities gewesen und hatte an Überfällen auf PSP-Einrichtungen und der Sabotage städtischer Projekte mitgewirkt. Eines Abends war er dann bei einem von den Trinities organisierten Hungeraufstand nicht schnell genug, um einem Angriff der Volkspolizei zu entgehen. Die Lieblingswaffe der Vopos war eine Kohlenstoff-Monofaserpeitsche; fachmännisch eingesetzt, konnte man mit einem solchen Instrument einen drei Meter dicken Eichenstamm durchschneiden. Nachdem Royan gestürzt war, drangen zwei Vopos auf ihn ein, peitschten seine Gliedmaßen und rissen ihm den Rücken auf. Greg führte einen Gegenangriff der Trinities, die Molotowcocktails auf die Volkspolizisten schleuderten. Als Greg Royan erreichte, waren Arme und Beine des Jungen verkrüppelt, waren Haut, Augen und Kehlkopf von den Flammen

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