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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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keuschen Busen.
    Sie konnte
sich nicht Annabelle anvertrauen, aus Furcht, die reine Seele der jungen Dame
zu beflecken. Hätte sie geahnt, wie viele Flecken in Wirklichkeit auf
Annabelles Seele waren, Minerva wäre entsetzt gewesen. Sie hatte es insgeheim
dabei bewenden lassen, Annabelles Bemerkungen über Mr. Wentwaters intime
Zärtlichkeiten als reine Einbildung anzusehen. Vielleicht hatte sich Mr.
Wentwater so weit vergessen, daß er Annabelles Hand wärmer, als er sollte,
drückte, aber weiter würde ein Gentleman nicht gehen.
    Ihr
Gewissen sagte ihr, daß sie Lord Sylvester verzeihen müsse, daß er sie geküßt
hatte, denn sie hatte sich ihm buchstäblich an den Hals geworfen.
    Da sie ihre
sündigen Gedanken nicht mehr ertragen konnte, beschloß sie schließlich, alles
ihrem Vater zu beichten.
    Als der
Pfarrer hörte, daß seine Tochter in den frühen Morgenstunden
in seinem Zimmer gewesen war und festgestellt hatte, daß er nicht da war, war
er zunächst zu peinlich berührt, um auf sie eingehen zu können.
    Schließlich
begriff er, daß sie in Lord Sylvesters Bett gesprungen war, und sah seine
errötende und zitternde Tochter erstaunt an. Er fragte sie rundheraus, ob Seine
Lordschaft sie »rumgekriegt habe«.
    »Um was,
Papa?« antwortete Minerva.
    »Jetzt hör
mal gut zu«, sagte der schwitzende Pfarrer. »Erzähl von Anfang an und sag mir,
was er alles gemacht hat. Du mußt in mir eher den Beichtvater als den Vater
sehen.«
    Und so
erzählte Minerva mit stockender Stimme, mit vielen Unterbrechungen und
Neuanfängen von jenem Kuß und der darauf folgenden Unterhaltung.
    Der Pfarrer
gewann langsam seine Fassung zurück. »Donnerwetter! Comfrey ist ein Gentleman!«
rief er aus. »Solch eine vornehme Zurückhaltung! Solche Rücksichtnahme! Aber
wenn er nichts gemacht hat und auch nichts sagen wird, was bekümmert dich dann,
Minerva?«
    Minerva
ließ den Kopf hängen, so daß ihre schwarzen glänzenden Locken ihr Gesicht
verbargen.
    »Ich habe
unkeusche Träume, Papa«, flüsterte sie.
    Das Gesicht
des Pfarrers hellte sich auf. »Wirklich? Donnerwetter«, sagte er, fröhlich
seine Hände reibend. Er hatte seine Älteste bisher für einen kalten Fisch
gehalten und schon allmählich gezweifelt, ob sie in London überhaupt Aufsehen
erregen könnte. Aber sie war seine Tochter und würde es ihm nie verzeihen, wenn
er versuchte, sie zu beruhigen. Wenn Comfrey solche Gefühle in ihr ausgelöst
hatte, dann standen die Zeichen gut für ihr Londoner Debüt. Auf der anderen
Seite konnte er es nicht riskieren, ihre allzu menschlichen Gefühle – auch wenn
es gut zu wissen war, daß sie vorhanden waren – auch noch zu unterstützen,
damit sie nicht etwa eine Dummheit machte.
    »Ich
fürchte, du mußt dich von diesen Gefühlen freimachen, Minerva«, gab er ernst
zu bedenken. »So sehr es mir gegen den Strich geht, dich zu bestrafen, so
glaube ich doch, daß du dir darüber im klaren bist, daß ich nur dein Bestes
will. Weißt du, meine Hunde werden immer dicker und fauler, weil es dauernd
friert, und sie brauchen dringend Auslauf. John Summer hat genug zu tun.
Deshalb führ du die dicksten und faulsten aus! Sag John, daß es Warrior, Wonder
und Rambler am nötigsten haben. Geh mit ihnen bis Highcap Hill und zurück. Du
wirst hinterher an nichts anderes mehr als an Schlafen denken.«
    Highcap
Hill war gut zehn Meilen entfernt.
    Er
erwartete nicht, daß Minerva tatsächlich zwanzig Meilen lief, aber er hatte
nicht bedacht, daß sie etwas von einer Märtyrerin an sich hatte. Sie hatte das
Gefühl, daß die Bestrafung wirklich gut zu ihrem Vergehen paßte, und als sie
nach Hause kam, konnte sie nicht einmal mehr essen, so erschöpft war sie.
    Der Pfarrer
beschloß, sie die Hunde auch weiterhin ausführen zu lassen. Er wollte nicht,
daß Minerva im Frühling zu munter wurde und mit irgendeinem unpassenden Farmer
auf und davon lief.
    Es war
besser, daß sie jetzt einen kühlen Kopf bewahrte. In London konnte sie dann
ihrer Leidenschaft ruhig freien Lauf lassen.
    Er hatte
selbst genug eigene Probleme. Der Bischof von Bernham hatte sich in letzter
Zeit immer wieder dahingehend geäußert, daß der Pfarrer von St. Charles und St.
Jude zu viel Zeit beim Jagen verbringe.
    Wenn sich
nur die amerikanischen Kolonien nicht von England getrennt hätten, dachte der
Pfarrer schlecht gelaunt. Virginia wäre das ideale Ziel gewesen. So hatte die
Revolution alles verdorben. In der guten alten Zeit, als der Pfarrer ein Kind
war und Virginia

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