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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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britisch, hatte es in der Kolonie jede Menge Pfarrer gegeben,
die sich eifrigst als Jäger
betätigten. »Die Jagd muß mit einem Gelage enden, und das Gelage muß unter dem
Tisch enden.«
    Der Pfarrer
bewunderte General Washington, nicht in seiner Eigenschaft als Führer der
Armee, sondern als Jäger. Bis zum Jahre 1774 hatte Washington die meiste Zeit
beim Jagen verbracht, oft zusammen mit seiner Frau Martha, die an seiner Seite
ritt, und mit Jefferson, der »mit gleicher Begeisterung wie Washington hinter
dem Fuchs her war«. Seine Hundezwinger waren nur hundert Yards von der
Familiengruft entfernt, aus dem einfachen Grund, weil es dort eine gute frische
Quelle gab.
    Der Pfarrer
konnte nicht länger vergangenen Ruhmestaten nachhängen, weil ihn der Postbote
unterbrach und ihm einen wappengeschmückten Brief mit einem dicken Siegel
überbrachte.
    Er kam von
Lady Godolphin, die ihrer Freude darüber Ausdruck gab, Minerva in die
Gesellschaft einzuführen, unter der Voraussetzung, daß das Mädchen eine so gute
Partie machte, daß alle Ausgaben, die Ihrer Ladyschaft entstünden,
zurückerstattet werden konnten.
    Das wäre
erledigt, dachte der Pfarrer mit einem Seufzer der Erleichterung. Alles, was er
jetzt noch tun konnte, war, seine Gläubiger hinzuhalten und auf einen guten
Ausgang zu hoffen.
    In der
Zwischenzeit schleppte sich Minerva bei jedem Wetter die vielen Meilen über
Land, die Hunde dicht hinter sich. Die überaus anstrengende körperliche
Betätigung hatte die erwünschte Wirkung. Sie war am Abend zu müde, um sich auch
nur an das Aussehen Lord Sylvesters zu erinnern. Die Nachricht von Lady
Godolphins Einladung ließ sie gleichgültig.
    Erst Ende
März, als er die Predigt seiner Tochter von der Kanzel verlas, bemerkte Hochwürden
Charles Armitage, daß zwischen den Grasbüscheln rund um die Grabsteine die
Narzissen blühten und daß das Gesicht seiner ältesten Tochter gar
nicht der Mode entsprechend wettergebräunt war.
    In nur zwei
Wochen mußte Minerva nach London aufbrechen.
    Beim Dinner
beschimpfte er seine Frau, weil sie nicht auf das Aussehen des Mädchens
geachtet habe, mit dem Ergebnis, daß Mama einen Krampf bekam und sich ins Bett
zurückzog.
    Von einem
Tag zum anderen geriet Minerva in einen Zustand fieberhafter Anspannung. Sie
durfte die lange, harte, körperliche Betätigung, die ihren Geist betäubt hatte,
aufgeben. Die ganze Familie stürzte sich auf alte Modehefte und schlug die
Hände über dem Kopf zusammen, weil die darin abgebildeten Toiletten so teuer
waren.
    Wie die
Stunden, die Tage verflogen! Vor kurzem waren London, seine Saison und seine
Modewelt noch so weit weg gewesen, und jetzt brach ein Wirbelsturm von Hüten,
Handschuhen, Strümpfen, Schönheitsmittelchen, Fächern und Taschen über sie
herein.
    Lady Godolphin
hatte versprochen, Minervas Garderobe zu stellen, und ihre genauen Maße waren
nach London geschickt worden. Aber sie mußte natürlich bereits bei ihrer
Ankunft umwerfend aussehen. Wie die Armitage-Mädchen stichelten und nähten!
Sogar die faule Annabelle gab ihr Bestes. Seit der Abreise von Mr. Wentwater
war sie sehr still geworden, und Minerva fragte sich oft beklommen, ob
Annabelle je an ihn dachte.
    Ihre
Cousinen, Josephine und Emily, sollten die Saison ebenfalls in London
verbringen und gingen den Mädchen im Pfarrhaus dadurch auf die Nerven, daß sie
in ihren hübschen Kleidern andauernd hereinschneiten.
    Als die
Stunde der Abreise nahte, wurde Minerva ganz krank vor Angst und innerer Not.
Sie fühlte sich sehr jung und hilflos. Man riß sie von allem weg, was ihrem
Leben Zweck und Sinn und Erfüllung gab. Hier, zu Hause, war
sie das eigentliche Oberhaupt der Familie. In London war sie eine unter vielen
hoffnungsvollen Debütantinnen.
    Ach, wenn
doch Frauen nicht heiraten müßten!
    Aber für
ein Mädchen aus guten Kreisen gab es keine andere Wahl. Minerva konnte zwar die
Speisenfolge überwachen und bestimmen, aber niemand hatte ihr Kochen
beigebracht. Sie wußte nicht über Politik Bescheid, und daß auf der spanischen
Halbinsel ein Krieg tobte, hatte sie nur am Rande mitgekriegt. Sie sprach nicht
gut Französisch und noch schlechter Italienisch, spielte aber gekonnt Klavier
und sang recht nett.
    Sie wußte,
daß sich das Leben nach ihrer Ankunft in London nur um Männer drehen würde. Sie
wußte, daß ein Mädchen, wenn es hübsch tanzte, gute Manieren hatte, gut zuhören
konnte und die Gabe hatte, sich beliebt zu machen, einen Ehemann finden konnte.
    Aber

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