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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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eines
wußte sie nicht, und sie konnte auch niemanden um Rat fragen, warum ihre sie
so peinlich berührenden Empfindungen wieder wachgerüttelt waren. Alle menschlichen
Wesen litten seit dem Sündenfall unter solchen Gefühlen, aber man mußte sie
unterdrücken und durfte nicht in ihnen schwelgen. Jedes Übermaß an Gefühlen war
einer Dame im höchsten Grade unwürdig.
    Minervas
Gesicht war wind- und wettergebräunt, und Josephine und Emily berichteten Lady
Edwin mit großer Freude, daß »die liebe Minerva leider gar nicht mehr gut
aussieht«.
    Der
Frühling hatte seinen Einzug in die Grafschaft gehalten. Große Schäfchenwolken
warfen im Vorbeiziehen ihren Schatten auf die zartgrünen Felder. Die
karmesinroten Kätzchen der Schwarzpappeln schwangen im Wind; Veilchen, Primeln
und Anemonen schmückten die grasbewachsenen Böschungen der Straße nach
Hopeminster.
    Und dann kam
– zwei Tage, bevor Minerva nach London fahren sollte – ein heftiger Schneesturm
von Osten und brachte die Bewohner des Pfarrhauses zur Verzweiflung. Mrs.
Armitage, die schon ganz lebhaft geworden war über all den ihr Frauenherz
erwärmenden Vorbereitungen, zog sich prompt ins Bett zurück; es fand keine
Schule statt, und alle hatten schlechte Laune. Der Pfarrer schloß sich in sein
Arbeitszimmer ein und bemühte sich, seine Predigt zu schreiben; er hätte sehr
gern Minerva darum gebeten, aber beschloß dann doch, es sei besser, wenn er
sich daran gewöhnte, es selbst zu tun.
    Schon am
nächsten Tag setzte Tauwetter ein. Das Land lag wieder im Sonnenschein, und die
Vögel sangen im zartgrünen Laub.
    Der
Reisewagen des Pfarrers war frisch gestrichen, und die Risse in den Polstern
waren ausgebessert. John Summer sollte als Kutscher dienen und der Mann, der
gelegentlich aushalf, als Pferdeknecht. Betty, das Hausmädchen, hatte ein
neues, bedrucktes Gewand bekommen; sie sollte Miß Armitage nach London
begleiten und dann mit dem Wagen zurückkehren.
    Der Pfarrer
tauchte aus seinem Arbeitszimmer auf, um Minerva zu fragen, ob sie sich von den
Hunden, die sie ausgeführt hatte, verabschieden wolle, und war tödlich beleidigt,
als sie sagte, daß sie überhaupt keine Zuneigung für sie empfinde.
    Wie viele
Landjunker war der Pfarrer unverhältnismäßig stolz auf seine Jagdpferde und
liebte alle seine Jagdhunde so, als ob sie Familienangehörige wären. Er
murmelte, daß Minerva wohl kein Herz habe, ließ die Sache aber auf sich
beruhen.
    Minerva war
wütend auf die Jagd, die Jagdpferde und die Jagdhunde und auf die ganzen
gewaltigen Kosten, die sie verursachten. Sie hatte jetzt schreckliche Angst vor
dem unbekannten London, das ihrer harrte, und war der Meinung, daß Papa sich
lieber hätte einschränken sollen anstatt sie wie
einen Bullen auf den Viehmarkt von Hopeminster auf den Heiratsmarkt zu treiben.
    Die
Grafschaft Berham lag angenehm nahe an London, und man konnte die Fahrt in zwei
bequemen Tagesetappen hinter sich bringen.
    Plötzlich
war der Morgen von Minervas Abreise da.
    Es war ein
strahlender Tag, der Himmel war von einem durchsichtigen Blau, das keine Wolke
trübte.
    Minerva
trug ein einfaches, hochgeschlossenes Tageskleid aus Batist mit einer kleinen
Schleppe. Am Saum war es mit zwei Reihen Borten verziert. Darüber hatte sie
einen Mantel aus grüner Seide an, der von einer goldenen Brosche zusammengehalten
wurde. Auf dem Kopf trug sie einen flachen Laviniahut mit breiten weißen
Seidenbändern und darunter eine enge weiße Mütze, an der vorne eine künstliche
Rose befestigt war. Ein karierter Sonnenschirm, braune Handschuhe aus York und
grüne Seidensandalen gaben ihrem Äußeren den letzten Schliff.
    Sogar
Annabelle war ganz erstaunt über die Verwandlung ihrer älteren Schwester. »Du
mußt einen reichen Mann heiraten, und bald, Merva«, bettelte sie, »damit ich
auch schöne Kleider bekomme.«
    Die Jungen
erinnerten Minerva daran, daß ihre zukünftige Ausbildung in ihrer Hand lag.
Mrs. Armitages Abschiedsgeschenk war eine lange Liste von Allheilmittelchen,
und die kleinen Mädchen klammerten sich jammernd an Minervas Rock und weinten
sich die Augen aus.
    Lady
Wentwater hatte eine Ausgabe von Porteous' Predigten herübergeschickt mit der
übelgelaunten Bemerkung auf dem Titelblatt, sie brauche sie nicht mehr und habe
genug von ›erbaulichen‹ Büchern.
    Josephine
und Emily, die erst nächste Woche nach London gingen, kamen, um sich zu
verabschieden, und versuchten durch vielsagende Blicke und Gekichere Minerva
den Eindruck

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