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Mingus

Mingus

Titel: Mingus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keto von Waberer
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Eisentür zurück aufs Dach taumelt.
    »Gayanerinnen?«, fragt er atemlos. »Sie haben Tara. Ich hab sie gesehen. Wir müssen sofort hinterher. Gonzo, auf, los!«
    Gonzo ist längst neben uns an der Brüstung und beobachtet uns, ohne sich zu regen.
    »Fluglibellen sind doppelt so schnell wie Chopper«, sagt er. »Keine Chance.« Er lässt sich auf den Bauch fallen und macht sich flach. »Brauche einen Boxenstopp«, sagt er.
    »Was?«, fragt Mingus.
    »Erkläre es dir«, sagt Gonzo und streckt sich. »Das Knarzen? Hörst du das?«
    Also, ich höre nichts.

MINGUS
    »Ich habe … also es gibt …«, sagt Alan. »Hör zu, Mingus …«
    Wir haben Hunger, und es macht mich wahnsinnig, wenn er so herumstottert.
    »Hast du einen Plan, oder was, Alter?«, frage ich.
    Es ist Mittag, und das Dröhnen der Baurobos ist bis hier oben zu hören. Alles geht weiter. Der kleine Bruder ist nicht mehr hier, nicht in dieser Stadt, nicht in dieser Welt. Und ich, ich bin auch nicht mehr ganz hier, und als ob mir das helfen könnte, denke ich immerzu daran, dass ich zu Tara muss.
    »Du willst Trost«, sagt Alan und lacht leise. »Es gibt keinen Trost, mein guter Junge.«
    Mir war er lieber, als er mich mit Ehrfurcht behandelt und mich großer Khan genannt hat.
    »Die Gayanerinnen finden wir niemals«, sagt Alan.
    Es klingt triumphierend. Seit er seinen Glauben verloren hat, denkt er nur daran, dass nun alles mit ihm zusammen untergehen und sterben wird. Aber dazu habe ich keine große Lust.
    »Ich will los«, sage ich. »Gonzo und ich werden zum Wüstengürtel um Olvio fliegen. Dort gibt es einen Wald. Ich war da, und da muss ich jetzt hin. Da kann ich leben. Allein. Du kannst hierbleiben, Alan.«
    »Was ich sagen wollte.« Alan steht auf und schaut über die Stadt. »Also, ich habe eine Schwester, eine Halbschwester, Aristo, aber in Ungnade … lebt im Exil … weit weg, am Meer.« Er betrachtet mich mit gehobenen Brauen. Das Meer. Ich habe noch nie das Meer gesehen. »Wir sind zerstritten … Wer weiß, ob sie noch lebt. Sie ist eine schreckliche Person. Wollte in die Politik, damals. Dann hat der damalige Präsi-Klon sie enteignet. Der Dichter. Die Metallminen verstaatlicht. Die Ölquellen an sich gebracht. Sie gejagt und vertrieben. Man hat uns zusammen aufgezogen, aber wir waren so verschieden wie Feuer und Wasser. Ehrgeizige Kuh, ohne jegliche Religion. Aglaia. So, jetzt ist es heraus.«
    »Was ist jetzt heraus?«, frage ich.
    »Ich habe ihre Koordinaten«, sagt Alan leichthin und klopft auf seinen kahlen Schädel. »Wir könnten’s versuchen, meine ich.«
    Und warum nicht? Wir packen. Gonzo trägt den Rucksack des kleinen Bruders. »Schildkröte«, sagt er. Der ist hier zurückgeblieben, als man sie von der Straße wegschnappte. Auch ihr Thermoschlafsack. Den nehme ich. Hier oben hat sie sich versteckt, so nahe bei Taras Haus. Wo war ich? Es ist sinnlos, sich solche Fragen zu stellen. Gonzo erlaubt mir nicht, den Rucksack zu durchsuchen. Ich warte auf eine Gelegenheit.

AGLAIA
    Der Pilot schert sich nicht um unsere Leuchtraketen, und da beschießen wir das Ding. Sie fliegen geschickt und landen am Ufer, im Sand. Ein kleines Modell für den Hausgebrauch. Mehr als zwei Menschen passen da nicht rein. Meine Hausrobos haben alles im Griff. Ich sehe sie hinunterwackeln zum Strand. Längst brauchen wir neue Ersatzteile für die.
    Es sind zwei. Ich schaue zu, wie sie aus dem Cockpit taumeln. Ein großer Kerl und ein Kleiner. Ach, und ein Hund, der als Letzter herausspringt, ganz leicht und kraftvoll: schönes Tier.
    Die Robos bringen sie zu mir herauf. Die beiden sehen nicht aus, als würden sie Schwierigkeiten machen. Was für eine schöne Abwechslung. Ich werde sie, wenn sie sich gut benehmen, zum Essen einladen. Vielleicht haben sie Neuigkeiten. Wir können uns hoffentlich unterhalten. Es ist so langweilig hier. Nie passiert etwas.
    Der Kleine, Kahlköpfige überholt den Großen, der eine schmuddelige Mütze trägt, und kommt zögernd heran. Er bleibt vor der Pergola stehen und breitet die Arme aus.
    »Aglaia«, ruft er. »Du bist keinen Tag älter geworden.«
    Ich lache. »Und wer bist du? Man kann dieses Kompliment wohl kaum an dich zurückgeben, du Mumie?«
    »Alan«, ruft er mit schwacher Stimme. »Alan bin ich, dein Halbbruder, Aglaia. Erkennst du mich nicht?«
    Ich lache. »Halbbruder?«, frage ich und stehe auf. »Alan, der alte Sektierer? Der Frömmler? Mamas Bruder? Onkel Alan … also dann? Mama ist tot. Ich bin Aglaia, ihre

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