Mingus
die Älteren«, sagt sie missmutig und tritt nach den Hühnern.
»Habt ihr hier viele Babys?«, frage ich.
»Letztes Jahr nur zwei«, sagt sie. »Das ist zu wenig.«
Daisys Lachen ist das Schönste an ihr. Sie lacht so laut und wild. Es hört sich an, als schreie ein Esel. Es gibt Esel hier. Wir gehen und streicheln ihre Nasen. Was für schöne Augen sie haben.
Mingus’ Augen sind grünbraun und schwarz umrandet, das lässt sie leuchten. Er hat Wimpern, lang und gerade wie Borsten. Wenn er schläft, gehen seine Augen unter den geschlossenen Lidern hin und her, und seine Nase zittert.
Daisy findet es langweilig, wenn ich von Mingus spreche. Sie verdreht die Augen und seufzt.
»Du und deine blöde Katze«, sagt sie und zieht ihren Arm aus meinem Arm.
»Kater!«, sage ich.
Es macht mich traurig, dass ich nicht von ihm sprechen darf. Ich kann natürlich mit Tara über ihn sprechen. Aber sie ist eine andere Generation und versteht nicht, was ich fühle.
»Der gefällt mir«, sagt Daisy und zeigt mir einen großen gelbhaarigen Mann, der in einem Kirschbaum sitzt und Kirschen in seinen Mund stopft. Mir gefällt er nicht.
»Mingus ist viel schöner als der, und er …«
»Vergiss ihn«, unterbricht mich Daisy ungehalten und lässt mich stehen. »Vergiss ihn!«
Aber das geht gar nicht.
TARA
Neila erlaubt mir, bei »Aktion Eule« mitzukommen. Sie hat endlich verstanden, dass ich uns von Nutzen sein kann. Mingus kennt mich. Er vertraut mir.
Der Vollmond hat sich hinter einer Wolke versteckt. Das wird eine warme Nacht. Wir fliegen los. Fünf der jungen Kriegerinnen und ich. Es ist ihnen nicht recht, dass ich dabei bin, aber Neila zwingt sie dazu.
In der frühen Dämmerung werden wir ankommen, wenn alles gut geht. Ich habe ein schlechtes Gefühl.
Von ferne sehen wir Megacity unter ihrer rötlichen Glocke aus Schmutz und Abgasen liegen. Wir steigen höher. Der Mond kommt ab und zu heraus. Auch er ist rot, wie eine fleckige Frucht. Die Stadt streckt sich über sieben Hügel. Wir fliegen lange, lange. Ich schaue nicht hinunter.
Wir sehen es schon von Weitem. Der Himmel ist schwarz. Rauch steigt über der verbotenen Zone auf. Wir kommen näher, gehen tiefer. Beißender Geruch nach Chemikalien und brennendem Holz weht in die Kabine. Wir sehen es alle. Der Park brennt lichterloh. An manchen Stellen züngeln Flammen meterhoch, an anderen glüht der schwarze Boden in zuckenden Feuergirlanden, ölige Flocken wirbeln zu uns herauf und kleben am Fenster. Die Hitze springt uns an, und der Wind über den brennendenBäumen packt uns und schüttelt die Libelle. Wir müssen abdrehen.
»Da«, sagt Rosy, die neben mir kauert. »Da, seht ihr?«
Gigantische Maschinen, eine ganze Kette, am äußersten Rand der Feuersbrunst. Wir sehen die Lichtfinger der Scheinwerfer, die erhobenen glitzernden Grabschaufeln, sie rollen hin und her, geschäftig, ihre Bullaugen spiegeln das Rot der Flammen.
»Da, diese Verbrecher. Sie brennen den Park nieder.«
»Seht ihr das? Abrissmaschinen! Baurobos!«
»Verflucht sei Auroville!«
»Die haben schon angefangen. Die walzen das ganze Viertel nieder. Diese Hunde.«
Aber noch geben wir nicht auf. Wir fliegen einen Bogen und landen unten auf der Straße, genau vor meiner alten Kaffeerösterei, dort, von wo wir abgeflogen sind an jenem Morgen. Ich als ihre Gefangene. Alles fällt mir wieder ein.
Die Straßen sind leer wie immer, und im Mondlicht sehen sie so friedlich aus, als wären sie nicht von Ruinen und leeren Wohnblöcken gesäumt, als gäbe es keinen brennenden Park und keine anrückenden Maschinen.
Meine Räume, meine vertrauten Räume empfangen mich mit ihrem Geruch und den mir lieben Gegenständen, die noch alle so herumstehen und liegen, wie ich sie verlassen habe. Keiner ist hier gewesen. Nur die Tauben sind durchs zerbrochene Fenster hereingeflogen und haben hier Nester gebaut. Sie flattern in Panik um uns herum.
Die Frauen hocken auf dem Boden und halten Rat. Ich steige rasch hinauf bis unters Dach und schnappe mir diekleine Figur meiner Großen Mutter, die noch immer dort hockt, stecke sie in meinen Beutel.
Ich will mir nicht vorstellen, was mit Mingus im brennenden Park geschehen ist. Vielleicht war er ja gar nicht bei den Amas. Vielleicht hat er sich im Keller dieses Hauses verkrochen? Die Frauen müssen sofort in den Keller.
»Sind gleich zurück. Du bleibst hier, Tara!«, schreit jemand im Treppenhaus. »Schnell, mach ein Feuer, zünde das ganze alte Geraffel an. Alles muss
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