Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)
nicht fertig, es ihr zu sagen.
Lücs Anschuldigungen gingen weiter. „Freust du dich, dass du einen übermächtigen Gegner hast, der uns alle bedroht, damit DU wieder als berühmter Antiheld uns alle retten kannst?“
„Nein, ich würde nichts wollen, was deine Sicherheit gefährden könnte“, sagte Zack.
„Du kämpfst immer nur gegen etwas, nie für etwas. Ging es dir nur darum, deinen Hass raus zu lassen oder wolltest du wirklich nur ein EINZIGES Mal einen von uns beschützen?“
„Mir ging es ständig darum, dich zu beschützen, Louise.“
Als Lüc nach einer gefühlten Jahrzehnten wieder ihren richtigen Namen hörte, erstarrte sie für einen Augenblick. Sie zog ihre Stöckelschuhe an und ging zurück ans Festland. Ihre Stimme wurde phasenweise von einem Schluchzen unterbrochen, als sie ihm zurief: „Viel Spaß mit deiner scheiß Karte!“
„Weiber...“, sagte Zack und setzte sich wieder auf den Rand des Stegs. Sein Blick lag wieder auf der Botschaft des Kartenspielers.
15
Lüc marschierte gekränkt über den Schotterweg. Alle paar Meter wischte sie sich die verschmierte Schminke, die ihr in Tränen herunterlief aus ihrem Gesicht. Gerade als sie es am wenigstens erwartete wurde sie von hinten angesprochen: „Entschuldigung, Lüc!“
Sie drehte sich um und erblickte Marian. Neben den üblichen Dreckflecken in seinem Gesicht, erkannte sie auch frische Schrammen, die von ihrem Muster her den Brandnarben eines Waffeleisens ähnelten.
„Tut mir Leid Marian, aber es ist gerade wirklich schlecht, ich will dich nur ungern versetzen und...“
Marian unterbracht direkt: „Lüc, hör mir bitte zu. Ich weiß, ich war in den letzten Tag aufdringlich und lästig und auch wenn ich Gefühle für dich habe, es geht dieses Mal um mehr, ich muss dir etwas sagen.“
Lüc schaute ihn überrascht an: „Dann sprich dich aus.“
„Es klingt verrückt, aber, aber ich hab bei den Morden an Frau Hart und Samuel geholfen“, gestand Marian. „Es ist keine Lüge, wirklich. Ich wurde gezwungen diesem Monster zu helfen.“
„Marian, wenn das ein Scherz sein soll, dann ist es wirklich nicht lustig.“
„Bitte, glaub mir doch, Lüc!“ Die Tränen flossen nun auch Marians Gesicht hinunter. „Dieses Monster hat mich in einer Hütte im Wald eingesperrt und mich gezwungen schlimme Sachen zu tun. Ganz schlimme Sachen!“
Das Misstrauen in Lüc war groß, aber wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit in Marians Geschichte steckte, hätte sie die Chance weitere Morde zu verhindern. Die Tränen in Marians Gesicht sahen für sie auch alles andere als gespielt aus. „Ich werde Zack, Willi und die anderen holen.“
„Ich konnte ihn überwältigen und in der Hütte einsperren, aber ich weiß nicht wie lange die Fesseln noch halten! Er sagte, er würde meine Ziehmutter Gretel aufschlitzen, sollte er die Fesseln lösen können. Ich weiß nicht einmal wie man einen Seemannsknoten schnürt. Ich konnte ihn nur notdürftig festbinden. Bitte, komm schnell mit mir, um Gretels Willen!“
„Ich denke es ist besser, wenn wir auf Nummer sicher gehen“, sagte Lüc misstrauisch.
„Lüc, bitte. Es zählt jede Sekunde. Wenn er deswegen entwischt, wird er Gretel finden und töten. Nur dir kann ich vertrauen.“
Marian sagte die Wahrheit, davon war sie überzeugt. Auch wenn sie die Gefahr nicht einschätzen konnte und ein Alleingang riskant war, wollte sie Marians Leben nicht noch zusätzlich erschweren, nachdem sie schon unfreiwillig sein Herz zerfetzen mussten. Es könnte sich auch um eine Falle der V3 handeln, allerdings war der Kartenspieler noch am selben Tag im Dorf gewesen und hätte allerhand Möglichkeiten gehabt, einen von ihnen kritisch zu verletzen.
Sie öffnete ihre Handtasche und nahm ihren Revolver heraus.
„Zeig mir diese Hütte. Halte aber bitte einen Abstand von gut zehn Meter. Falls mir etwas passiert, falls ich in einen Hinterhalt gerate, dann machst du sofort auf dem Absatz kehrt und läufst zu Zack oder Willi. So können wir Zeit sparen und haben immer noch einen Plan B.“
„Einverstanden!“, sagte Marian. „Ich danke dir! Ich danke dir!“
Die Dunkelheit brach gerade an, als sich Lüc und Marian in den Wald begaben. In der Finsternis waren nur die Schemen der Bäume erkennbar und die alte Hütte, die von außen schon nicht sehr einladend aussah. Die Fenster waren zerbrochen, die Fassade abgenutzt und von Efeu überwuchert. Marian öffnete die abgesperrte Hütte und überließ Lüc den Vortritt.
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