Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)
hat es gut, kann mal einen Tag Auszeit machen, während die Dorfbewohner die letzten Tage immer unruhiger und kritischer uns gegenüber wurden.“
„Siehst du, er muss zwar für dieses Einhornwesen seit Jahren blechen, aber dafür muss er nicht in die Kirche!“
„Du würdest lieber ein fremdes Kind großziehen und versorgen, anstatt in die Kirche zu gehen?“, fragte Willi.
„Klar, in der Kirche muss man die ganze Zeit still sitzen oder man muss stehen und St. Angelo zuhören oder man muss irgendwelche Lieder singen, die gar keinen Sinn ergeben. Ich kann einfach nicht still sitzen, das geht nicht. Aber mit so einem kleinen Bastard mit Pferdekopf angeln zu gehen, das macht doch bestimmt Spaß.“
„Oder sei einfach ein Pinguin.“ Willi fing an zu grinsen. „Dann musst du auch nicht in die Kirche.“
„Genau das finde ich unfair! Gleiches Recht für alle!“
„Für Tiere gibt es so etwas wie Religion nicht.“
„Aber es muss doch einen Tierhimmel geben!“, sagte Frederick.
„Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wir können das nicht mit Gewissheit sagen. Beziehungsweise die Tiere folgen nur ihrem Instinkt, die denken nicht drüber nach, ob irgendeine imaginäre Figur, die über unser Leben richten soll, es in Ordnung findet, wenn wir unsere Beute jagen und töten. Vielleicht macht uns das primitiv, aber wir töten um zu überleben. Ihr tötet in erster Linie für Geld oder wenn es euch ein tausend Jahre altes Buch befiehlt.“
Frederick ließ sich Willis Worte durch den Kopf gehen, was ihn jedoch keine logische Schlussfolgerungen zuließ. In erster Linie dachte er gerade an Fräulein Rehs Hintern. Zart wie Hähnchenfleisch, dachte er und fuhr sich mit seiner Zunge über seine Lippen.
„Glaubst du, ich komm in den Hölle?“, fragte Frederick letztendlich.
Willi schüttelte den Kopf und schmunzelte: „Nein, ihr Menschen sagt ja, Gott würde für die Dummen und Verrückten sorgen.“
„Also?“
„Schon gut, iss deine Krabben fertig und wechsel’ mal dein Unterhemd. So kannst du dich in der Kirche nicht blicken lassen.“
„Keine Sorge, Chef, dank meines selbst ausgearbeiteten Zeitmanagements hab ich noch genug Zeit zwischen Mittagessen und Trauerfeier, um mich edel einzukleiden.“
„Ich will keine Klagen hören“, warnte Willi und putzte sich mit einer Serviette seinen Schnabel ab: „Ich geh mich etwas aufs Ohr hauen, viel Spaß in eurer Kirche.“
2
Auch in Lücs Haus bereiteten sich Lüc und Zack auf die Beerdigungsmesse vor. Nach der schrecklichen Nacht in der Waldhütte lag Lüc die halbe Nacht wach, bis sie friedlich in Zacks Armen einschlief. Das ganze Dorf blickte mit einem fröhlichen und erleichterten Auge auf die Auflösung und Entledigung des Mörders, dennoch wurde der Pinguin und seine Leute noch mit einem misstrauischen Auge betrachtet.
Zack zog seine schwarze Anzugshose hoch, machte den Gürtel zu und steckte seinen Revolver mit dem Pistolenlauf nach unten zwischen Hosenbund und Boxershorts und knöpfte sein weißes Hemd zu.
„Du nimmst deinen Revolver mit in die Kirche?“, fragte Lüc.
„Du nicht?“
Lüc grinste und deutete auf ihre Handtasche.
„Braves Mädchen.“
Lüc hatte gerade ihren knielangen Rock hochgezogen und schlüpfte mit ihrem Kopf durch das obere Loch ihrer schwarzen Bluse. Sie schüttelte ihre dunklen Haare und band sie dann mit einem Haarband zusammen. Fertig „gestylt“ ging sie zu Zack, der sich gerade unbeholfen den hässlichsten Krawattenknoten der Welt gebunden hatte.
„Sag mal, willst du dich damit erwürgen?“
„Was hast du gegen meinen Knoten?“
„Du kannst eine Pistole mit verbundenen Augen zusammen bauen, aber kriegst keinen „Four in one Hand“ hin?“
„Gesundheit. Ein was?“
Sie nahm die breite Seite der Krawatte in ihre Hand, maß die Länge ab und fing an zu binden: „Erst legst du die breite Seite über die schmale. Dann hier drunter durch, dann wieder drüber und nun von hinten durch das Loch und zuziehen. Fertig ist der Knoten. Und er geht genau bis zur Gürtelschnalle - wie es sein sollte.“
„Was für eine Art Hexerei ist das?“, schmunzelte Zack. „So schlecht war mein Knoten gar nicht.“
„Klar. Nur noch ein „SEI STARCK“-Schriftzug hätte die Katastrophe verschlimmern können.“
„Jetzt gehst du zu weit“, sagte Zack grinsend und zog sich sein Sakko über. Er betrachtete Lüc, die zwar mit ihm scherzte, aber im Inneren noch mit dem Schock kämpfte. Er strich ihr über die
Weitere Kostenlose Bücher