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Mira und der weiße Drache (German Edition)

Mira und der weiße Drache (German Edition)

Titel: Mira und der weiße Drache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
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beiden steifen Puppen musste sie wieder aus dem Schrank holen und ordentlich auf das Fensterbrett stellen.
    Zwei weitere Tage lang hörte Mira nichts von Miranda.
    Der Wind blies die letzten Blätter von der Rotbuche im Garten, die ihre leeren Zweige nun dem unaufhörlichen Regen entgegenstreckte. Mira saß in ihrem Zimmer und hörte dem Gluckern des Wassers in der Regenrinne zu, während sie versuchte, Gullivers Reisen weiterzulesen. Doch immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, und sie blickte aus dem Fenster den Vögeln nach, die mit dem Wind kämpften. Wie sehr wünschte sie sich, eine nasse und zerzauste kleine Amsel würde auf ihrem Fensterbrett landen!
    Manchmal dachte sie auch, sie hätte alles nur geträumt und es hätte nie einen Drachen oder einen sprechenden Kater oder eine alte Hexe Fa und ihr verwinkeltes Häuschen gegeben. Tagsüber spielte sie endlos langweilige Partien »Mensch ärgere Dich nicht« mit Tante Lisbeth. Doch nachts träumte sie von einer großen Eule, von Wäldern, in denen die Zauberer zu Hause waren, aber auch von Sperbern, großen, gelbäugigen Raubvögeln mit gierigem Blick, die sie im Flug verfolgten.
    Am dritten Tag schließlich klingelte es an der Haustür. Mira stürzte hoffnungsvoll die Treppen hinunter und riss mit Schwung die Tür auf. Doch draußen stand nur die dicke Nachbarin, Frau Fingerhut, mit einem grasgrünen Regenschirm und schnäuzte sich geräuschvoll in ein großes Taschentuch. »Ist deine Tante da, Mira?«, fragte sie mit kläglicher Stimme. Mira versuchte, nicht allzu enttäuscht auszusehen, und begleitete Frau Fingerhut in die Küche, wo Tante Lisbeth gerade Kartoffeln schälte. »Was ist los, Erna?«, fragte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.
    »Ach«, sagte Frau Fingerhut nur und dann wieder »Ach!«.
    Dann setzte sie sich auf den Küchenstuhl und begann hemmungslos zu schluchzen. Mira legte ihr etwas ungeschickt den Arm um die Schultern und Tante Lisbeth holte ein paar Papiertaschentücher aus dem Schrank.
    »Es ist wegen Kantapper«, sagte Frau Fingerhut schließlich mit tränenerstickter Stimme. »Wegen dieses Katzenviehs?« Tante Lisbeth sah ihre Nachbarin verständnislos an. »Er ist ein Kater«, sagte Frau Fingerhut empört. »Und er ist verschwunden.« »Verschwunden?«, fragte Mira. Frau Fingerhut nickte. »Er ist öfter mal über Nacht nicht da, aber ...«, und hier rang sie um Fassung, »... er war noch nie drei Tage hintereinander weg.«
    »Vielleicht ist er unter die Räder gekommen«, sagte Tante Lisbeth ungerührt, während sie eine Kartoffel mit einem Platsch im Kochtopf versenkte.
    »Oh«, jammerte Frau Fingerhut, »sag doch so was nicht! Mein armer kleiner Kantapper, mein Ärmster.«
    Mira klopfte Frau Fingerhut vorsichtig auf den Rücken. »Ich glaube nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist.« Einen kurzen Moment stieg das Bild des feisten Katers im Pflaumenbaum wieder in ihr auf. »Dafür ist er zu ... vernünftig.«
    Frau Fingerhuts Miene hellte sich einen Moment lang wieder auf. »Ja, er ist sicher zu klug dafür, nicht wahr?« Dann jedoch verdüsterte sich ihr Ausdruck wieder und sie begann von Neuem zu schluchzen. »Vielleicht ist er aber auch in schlechte Gesellschaft geraten. Oder er ist von Katzenfängern entführt worden. Ihr wisst ja nicht, wie sensibel und gutgläubig er ist.«
    »Mhmm«, sagte Mira nicht ganz überzeugt und reichte Frau Fingerhut ein frisches Taschentuch. »Du solltest froh sein, dass du ihn los bist«, sagte Tante Lisbeth mit Nachdruck. »Er streunte in jedem Garten herum, vertrieb die Vögel und überall waren diese schrecklichen Katzenhaare.«
    Frau Fingerhut erhob sich mit einem Ruck und blickte Tante Lisbeth wütend an. »Wie kannst du so was nur sagen? Du hast ihn ja noch nie gemocht! Ich glaube, ich habe hier nichts mehr verloren.« Sie zog ihre Strickweste enger um sich und stürmte zur Tür. Tante Lisbeth seufzte nur und zuckte mit den Achseln, während Mira sehr verlegen Frau Fingerhut in den Gang folgte.
    Dort nestelte die Nachbarin wütend an ihrem Regenschirm, als Mira eine Idee kam. »Haben Sie ein Foto von Kantapper?«, fragte sie. Frau Fingerhut vergaß kurz ihre Empörung. »Aber ja!«
    »Sie könnten ein Foto mit einem kurzen Text an Laternenpfähle oder an Gartenzäune hängen. Vielleicht hat ja jemand Kantapper gesehen«, schlug Mira vor.
    Ein Ausdruck von Hoffnung schlich sich auf Frau Fingerhuts Gesicht. »Das ist eine wunderbare Idee!«
    »Und ich könnte Ihnen dabei helfen, wenn Sie

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