Mira und der weiße Drache (German Edition)
...«, ihr Blick verdüsterte sich kurz, »... meine Eltern und du.« Sie schwieg und schluckte. »Und du zählst ja eigentlich nicht.«
»Danke«, sagte Mira knapp.
»Außerdem ist vielen ihr Geburtstier peinlich«, fügte Miranda hinzu.
»Wieso peinlich?«
Miranda grinste. »Na ja, wärst du gerne ein Hamster oder ein Meerschweinchen?« Mira lachte. »Nein, nicht wirklich.«
Sie saßen eine Weile nebeneinander und schwiegen.
»Und was wirst du nun tun?«, fragte Mira schließlich, »außer auf mich aufzupassen natürlich.«
»Ich hole uns das Buch zurück«, antwortete Miranda schlicht. Sie räusperte sich. »Schließlich bin ich ja auch die Spruchbewahrerin.«
Mira holte tief Luft. »Und ich werde dir dabei helfen«, sagte sie feierlich.
Miranda verdrehte die Augen »Nein danke! Ich will nicht schon wieder in einem Bannkreis landen.«
»Und wer hat dich da wieder rausgeholt?«, fragte Mira entrüstet. Miranda seufzte. »Die Sache ist zu gefährlich für Menschen, du hältst dich da lieber raus.« Mira sah Miranda wütend an. »Du klingst genauso wie deine Oma, die hat allerdings zu uns beiden gesagt, wir sollten uns nicht einmischen, falls du dich noch erinnern kannst.«
Wieder schwiegen sie eine Weile. Es war bereits ziemlich kalt geworden, und Mira rieb die Handflächen gegeneinander, um sich aufzuwärmen. Schließlich griff sie in ihren Mantel, und während sie dort nach ihren Handschuhen suchte, erfühlte sie etwas metallisch Kaltes, das sie zurückzucken ließ.
»Was ist los«, fragte Miranda.
Mira zog die silberne Karte aus ihrer Manteltasche. Die Karte glänzte in der Dunkelheit, und als Mira sie umdrehte, sah sie, dass dort schön geschwungene Buchstaben auf dem Papier leuchteten. Es sah aus, als würde in ihnen ein kaltes, bläulich schimmerndes Feuer glimmen.
Miranda sperrte den Mund weit auf. »Was ist das?«, fragte sie neugierig.
»Das ist eine Karte, die mir eine seltsame Frau heute in die Hand gedrückt hat«, erklärte Mira. »Sie sieht allerdings ganz anders aus als heute Nachmittag.«
»Eine seltsame Frau?«, fragte Miranda. »Was für eine Frau?«
Mira zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, sie war elegant gekleidet, eigentlich ganz freundlich, aber …«, sie überlegte kurz. »Mir war ganz kalt, als sie mich anlächelte.«
»Hatte sie schwarze, glänzende Haare und trug ein Kostüm?«
»Du kennst sie?«, fragte Mira überrascht.
Miranda nickte. »Es könnte die schwarze Hexe gewesen sein, die mir im Zug die Schriftrolle übergeben hat.«
Mira blickte auf die Karte und spürte, wie ihr Magen zu rumoren begann.
»Lies vor! Was steht da?«, fragte Miranda ungeduldig. Mira sah sie herausfordernd an. »Nur, wenn du mir versprichst, dass wir zusammen nach dem Buch suchen werden.« »Das ist Erpressung«, sagte Miranda finster. »Kann man so sagen«, erwiderte Mira hartnäckig. Miranda schluckte. »Also gut, du kannst mitkommen.« Sie blickte Mira streng an. »Aber nur unter der Bedingung, dass du dich nicht verwandelst und auch sonst keinen Unfug anstellst.«
Mira nickte und verbiss sich ein Grinsen. »Gut!«
»Also«, drängte Miranda und besah sich die leuchtenden Buchstaben. »Was steht da?«
»Da steht
Lies mich!
«, sagte Mira. »Lies mich? Und sonst?« Miranda sah völlig ratlos aus. »Nichts mehr«, sagte Mira. Sie sprang von der Tischtennisplatte und ging mit der Karte unter die Laterne. Doch außer der Aufforderung »Lies mich!« war nichts auf der Karte zu entdecken, soviel sie sie auch drehte und wendete.
»Was soll man denn nun lesen?«, fragte Miranda. Mira kratzte sich an der Nase und dachte nach. »Kannst du dich noch an die kleine Papierrolle erinnern, die dir die schwarze Hexe im Zug gegeben hat?« Miranda nickte.
»Da stand
Zerbrich mich!
. Vielleicht muss man das hier auch machen.«
»Wie«, fragte Miranda, »die Karte zerreißen oder so?« Mira schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke eher, man soll die Aufforderung wörtlich nehmen!« Miranda sah sie verständnislos an. Mira ging wieder zurück zu der Tischtennisplatte und legte die Karte darauf. Sie beugte sich über sie und sagte leise: »Lies mich!«, dann holte sie Luft und blies auf die Karte, so wie sie es schon bei der Beschwörung des Drachen getan hatte.
Die beiden Mädchen warteten. Die Buchstaben auf der Karte verblassten, und dort, wo sie sich befunden hatten, entstieg nach einer Weile ein kleines silbernes Männchen. Es war ganz durchscheinend, hatte ein spitzes, langes Gesicht und
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