Mira und der weiße Drache (German Edition)
stand Tante Lisbeth. Sie klappte ihren Regenschirm zusammen, deutete mit der goldenen Spitze auf die Tischtennisplatte und atmete kurz heftig durch. »Wie ich sehe, seid ihr am Zündeln!«
»Hallo, Tante Lisbeth«, sagte Mira und versuchte sich an einem schiefen Lächeln. Tante Lisbeth sah Mira streng an. Dann warf sie einen vernichtenden Blick auf Miranda, die sich gerade mit dem Ärmel über das Gesicht fuhr.
»Mira …«, zischte Tante Lisbeth leise und beugte sich zu ihrer Nichte vor, »ich wundere mich, mit wem du dich so rumtreibst.« Mira klappte den Mund auf und dann gleich wieder zu. Miranda aber lächelte zu Miras allergrößter Verwunderung Tante Lisbeth freundlich an. Dann wischte sie sich die Hände an ihren fleckigen Jeans ab und sagte mit einer sehr leisen und freundlichen Stimme, ohne Tante Lisbeth aus den Augen zu lassen: »Wir haben nur gerade ein Geistwesen beschworen. Das hat sich geärgert und ist mit einem Blitz verschwunden. Weiter nichts.« Tante Lisbeth sah Miranda, die unerschütterlich weiterlächelte, ungläubig an. Miranda seufzte. »Glauben Sie mir, wir würden nie mit Feuer spielen.« Tante Lisbeth schluckte und ihr Gesichtsausdruck begann sich unter Mirandas Blick zu verändern.
»Das hätte ich auch von dir nie wirklich angenommen«, sagte sie schließlich verunsichert. Miranda lächelte entwaffnend. »Sie wissen ja, wie Geistwesen sind, unberechenbar und viel zu schnell gereizt.« »Ja«, sagte Tante Lisbeth langsam. »Ja, ich glaube schon.« Sie blickte von Miranda zu Mira.
»Ich wollte Mira eigentlich nur zum Essen holen«, sagte sie beinahe entschuldigend.
»Oh, das ist kein Problem, ich komme dann morgen nach dem Mittagessen wieder«, sagte Miranda und blinzelte Mira zu.
»Aber natürlich.« Tante Lisbeth nickte und verbeugte sich etwas linkisch. »Also dann auf Wiedersehen ...?« »Miranda!«, sagte Miranda und verbeugte sich nun ihrerseits.
»Deine Freundin ist wirklich nett und gut erzogen«, sagte Tante Lisbeth, als sie wenig später mit Mira durch die nasse Straße zurück nach Hause gingen. Sie kratzte sich am Kopf. »Andererseits ist sie auch ein bisschen ungewöhnlich, findest du nicht?« Mira nickte. Dies war eines der wenigen Male, dass sie ihrer Tante aufrichtig zustimmte.
13. Kapitel
in dem Mira und Miranda eine alte Bekannte treffen
Der nächste Tag war zu aller Überraschung hell und sonnig. Es war vollkommen windstill und eine freundliche Sonne strahlte vom blank geputzten Himmel. Doch für Mira schien sich der Vormittag hinzuziehen wie alter, zäher Kaugummi. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, begann sie das Laub rings um die einsame, kahle Buche in Tante Lisbeths Garten zusammenzurechen. Dabei streckte sie sich immer wieder, um über die Mauer zum Nachbarhaus zu linsen. Doch weder sah sie Frau Fingerhut, die sie gerne in ein Gespräch über Haustiere verwickelt hätte, noch konnte sie einen Blick auf die neue Katze der Nachbarin erhaschen. Und so vermutete Mira, dass Miranda sich gerade auf einem weichen, ausgepolsterten Kissen neben ihrem goldenen Fressnapf breitmachte, um ein Mittagsschläfchen zu halten, während Mira sie zappelnd vor Ungeduld erwartete.
Gerade als sie sich mit Tante Lisbeth zum Mittagessen in die Küche setzte, konnte Mira durch die Gardinen des Küchenfensters Frau Fingerhut erkennen. Sie schloss ihre Haustür ab und lief dann die Straße hinunter, wobei sie einen quietschenden grauen Einkaufstrolley hinter sich herzog.
Kurze Zeit später klingelte es an der Tür. Tante Lisbeth sah mit einem Stirnrunzeln vom Essen auf, während Mira sich fast an ihrer Nudelsuppe verschluckte. Das musste endlich Miranda sein! Tatsächlich war es Miranda, die vor der Tür stand, Mira fröhlich zuwinkte und Tante Lisbeth strahlend anlächelte.
»Ich wollte nur Mira abholen«, sagte sie. Tante Lisbeth nickte erfreut. »Wo wollt ihr denn hin?«, fragte sie interessiert. »In die Altstadt.« Miranda blickte Mira bedeutungsvoll an. »Wir wollten uns da einen bestimmten Laden anschauen.«
Tante Lisbeth sah Mira streng an.
»Bevor es dunkel wird, seid ihr aber wieder zurück!« Miranda lächelte vertrauenserweckend. »Machen Sie sich keine Sorgen!« »Das tue ich auch nicht, wenn Mira mit dir unterwegs ist«, sagte Tante Lisbeth liebenswürdig. Und so verabschiedeten sich die beiden Mädchen und gingen die Straße hinunter. »Deine Tante ist doch wirklich nett«, sagte Miranda leise, als Tante Lisbeths Haus nicht mehr zu sehen war. »Mhmm«, murmelte
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