Mira und die verwunschenen Kugeln (German Edition)
die Versammlung hindeutete, kein Maskaron oder gar gekreuzte Rosen. Nichts, was auf die Anwesenheit schwarzer Zauberer schließen ließe.
»Pass auf! Da kommt jemand«, flüsterte plötzlich Rabeus. Er zog Mira auf die andere Straßenseite hinter die Litfaßsäule.
Aufmerksam sahen die Kinder die Straße hinab. Ein Mann und eine Frau bogen um die Ecke. Der Mann trug trotz der Hitze einen Anzug und die Frau lief auf hohen Stöckelschuhen. Ihre Schritte klangen auf dem Kopfsteinpflaster wie das Geklapper eines nervösen Pferdes. Sie unterhielten sich angeregt und blieben dann vor der Litfaßsäule stehen. Mira und Rabeus hielten den Atem an und drückten sich gegen die Wand.
»Schrebergärtner!«, sagte die Frau halblaut. »Sie hätten sich kaum etwas Dümmeres ausdenken können.«
Der Mann brummte etwas Undeutliches.
»Ach was – Humor!«, erwiderte die Frau und presste ihre glitzernde Handtasche eng an sich. »Wozu denn das?«
Sie überquerten die Straße. Mira konnte sehen, wie sie die Kellertreppe des Hauses Nummer 28 hinunterstiegen. Dann klopften sie dort an die eiserne Tür.
Ein kleiner Mann mit einem langen Ziegenbart öffnete dem Paar.
»Passwort?«, fragte er gelangweilt.
»Komposthaufen«, sagte die Frau gereizt, bevor sie mit ihrem Begleiter hinter der Tür verschwand. »Wirklich außerordentlich komisch.«
»Die Versammlung ist also im Keller«, murmelte Rabeus.
Mira nickte. »Schrebergärtner habe ich mir immer anders vorgestellt.«
In diesem Augenblick erschienen drei hochgewachsene Männer auf der Straße. Auch sie sahen sich um, gingen dann die Treppe hinunter und klopften. Und wieder öffnete ihnen der Mann mit dem Ziegenbärtchen.
Sie sagten ihr Passwort und lachten dabei dröhnend.
Immer mehr Menschen kamen. Die Frauen in glitzernden Abendkleidern. Die Männer in tadellos sitzenden Anzügen. Bald wunderte Mira sich, wie viele Menschen in den Keller des kleinen Hauses passten. Es gab Gelächter und Getuschel und alle wurden durch den kleinen Mann an der Tür begrüßt. Der verneigte sich bei jedem Gast und forderte mit ungerührter Miene das Passwort.
Dann schlug die Kirchturmuhr zweimal. Es war halb neun. Der Mann am Einlass sah auf eine Taschenuhr, die er umständlich aus seiner Weste hervorzog und aufklappte. Er blickte auf die Straße, wartete noch zwei Minuten, strich über seinen langen Kinnbart und schloss dann von innen die Tür.
Die Kinder warteten noch eine Weile. Doch niemand kam.
Schließlich wagten sie sich hinter der Säule hervor und schlichen sich zu dem Haus und die Treppe hinunter. Sie spitzten die Ohren. Doch von den vielen Menschen, die in dem Keller versammelt sein mussten, war nichts mehr zu hören.
Mira zuckte zusammen, als eine kleine Maus über ihre Füße huschte.
Dann sahen sie sich voller Überraschung an. Vor ihnen war nur noch Mauerwerk. Die Tür war verschwunden.
»Es ist genau das, was ich vermutet hatte«, sagte Rabeus leise.
Mira sah ihn fragend an.
»Das ist eine geheime Versammlung der schwarzen Zauberer.«
Mira schluckte. Eine Geheimversammlung!
»Aber wie kommen wir nun rein?«, fragte sie.
Rabeus zuckte mit den Schultern. »Hier? Gar nicht!«
»Gib mir mal die Einladung«, sagte Mira. »Vielleicht gibt es darauf noch einen Hinweis.«
Rabeus zog das Blatt aus seiner Hosentasche und entfaltete es.
»Da ist ja gar nichts mehr«, wunderte sich Mira. Das Blatt war leer und die Schrift völlig verschwunden.
»Sehr schlau«, sagte Rabeus. »Nun hängen nur noch leere Zettel in der Stadt. Keiner hat mehr einen Hinweis auf die Versammlung.«
»Nur wir wissen davon.« Mira seufzte. »Aber das nützt uns nichts, wenn wir nicht dabei sein können.«
In diesem Moment spitzte Rabeus die Ohren. »Da kommt noch jemand!«
Mira konnte zwar überhaupt nichts hören, aber sie lief hinter Rabeus die Treppe hoch und versteckte sich hinter einer kleinen Mauer, die vor den Mülltonnen errichtet war. Dann folgte sie Rabeus’ Blick und sah die Straße hinunter.
16. Kapitel
in dem Mira und Rabeus einen neuen Eingang kennenlernen
Es war eine merkwürdige Gruppe, die da aus der Dunkelheit auf sie zukam.
Vornweg lief eine kleine junge Frau, die an einem Seil einen großen Mann und eine große Frau mit wirrem Haarschopf hinter sich herzog. Dahinter trabte ein maulender junger Mann. Als die seltsame Gruppe vor dem Haus stehen blieb, fiel das Licht der Straßenlaterne auf sie. Mira schlug sich die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Die
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