Mira und die verwunschenen Kugeln (German Edition)
ihr verabschiedet?
Zwar konnte sich Frau Fingerhut nicht recht vorstellen, wozu Mira einen griesgrämigen Gartenzwerg stehlen sollte, der noch dazu völlig unbemalt war, trotzdem lief sie umgehend zu ihrer Freundin Lisbeth, um der Sache nachzugehen.
Wenig später ging Mira den von hohen Hecken umsäumten Weg zum Haus entlang und sah Frau Fingerhut und Tante Lisbeth am Gartenzaun stehen. Die beiden Frauen blickten schon von Weitem außerordentlich grimmig drein und sahen auch nicht freundlicher aus, je näher ihnen Mira kam.
Das nun folgende Verhör war alles andere als angenehm.
Mira behauptete zwar, keine Ahnung von dem Verbleib des Zwergs zu haben, wurde dabei aber so rot und stotterte herum, dass Frau Fingerhut und Tante Lisbeth trotzdem Verdacht schöpften.
Und so bekam Mira zum ersten Mal in ihrem Leben Hausarrest.
Der Hausarrest bestand darin, dass Tante Lisbeth ihn lautstark verkündete und eifrig vor Frau Fingerhut mit dem Schlüssel herumwedelte. Dann schloss sie mit einem lauten Knall die Haustür und drehte den Schlüssel noch zweimal geräuschvoll herum.
Frau Fingerhut sah dem ganzen Treiben von draußen noch misstrauisch zu und ging dann in ihr Haus zurück.
»Was für ein Theater!«, flüsterte Tante Lisbeth, als sie mit Mira alleine war. »Wegen eines Gartenzwergs!« Sie schüttelte den Kopf. Dann schmierte sie Mira noch zwei Butterbrote und marschierte anschließend ins Wohnzimmer, um sich mit einem abendlichen Krimi zu beruhigen.
Mira saß noch eine Weile in der Küche und kaute an dem riesigen Butterbrot herum. Dann ging sie in ihr Zimmer. Sie setzte sich auf das Bett und starrte auf die beiden leblosen Puppen, deren bunte Kleider im Dämmerlicht ganz grau erschienen.
Sie war zu ruhelos, um zu schlafen, und zu müde, um etwas zu unternehmen.
Eigentlich konnte es ihr egal sein, ob die Haustür verschlossen war oder nicht. Sie wusste sowieso nicht, wo sie hingehen sollte. Und es gab niemanden, den sie fragen konnte.
Oder vielleicht doch?
Vielleicht wusste ja das Silbermännchen einen Rat. Schließlich hatte es sich ja in ihren Dienst gestellt. Also sollte es auch zu etwas nütze sein. Mira stand auf, öffnete die Schranktür und zog unter den T-Shirts die Karte des Silbermännchens hervor. Sie war nichts weiter als ein verknittertes graues Stück Karton, auf dem keine Buchstaben zu sehen waren. »Lies mich!«, flüsterte Mira trotzdem, blies auf die Karte und wartete. Doch es gab kein blaues Aufleuchten. Kein Silbermännchen entstieg dem Papier. Nichts geschah.
Ein Anflug von Ärger überkam sie. Was machte das Silbermännchen nur? Anstatt ihr zu helfen und zu Diensten zu sein, dachte es sich sicher eine langweilige Geschichte aus, die Mira nicht im Geringsten interessieren würde.
Mira steckte die Karte in die Hosentasche. Sie war ja selbst schuld, denn sie hatte ihm genau das aufgetragen.
Nein, nicht einmal das Silbermännchen konnte ihr noch helfen! Mira setzte sich zurück auf das Bett und wartete auf die Nacht.
Klick! In diesem Augenblick schlug etwas gegen die Fensterscheibe. Und dann noch mal: Klick! Mira zuckte zusammen. Klick, klick! Gleich zweimal hintereinander traf etwas das Fenster.
Mira öffnete die Fensterflügel. Ein paar Sterne waren schon neben dem Mond aufgegangen, der als bleiche Sichel am Himmel hing. Er warf etwas Licht auf eine dunkle Gestalt, die im Garten neben dem Stumpf der Rotbuche stand.
»Rabeus!«, rief Mira.
Die dunkle Gestalt im Garten winkte ihr zu. »Kannst du runterkommen?«
»Die Tür ist zugesperrt«, erwiderte Mira.
»Dann komm durch das Fenster«, flüsterte Rabeus und wedelte mit einem weißen Zettel. »Es ist wichtig!«
Mira nahm Maß. Ihr Zimmer war im ersten Stock. Nach unten waren es mindestens drei Meter. Sie überlegte einen Moment lang, sich in eine Amsel zu verwandeln. Wie schön es wäre, wieder zu fliegen! Der laue Wind fuhr ihr durch das Haar, und sie sah in die Wolken, die über den Abendhimmel zogen. Aber nein. Sie würde sich nicht mehr zurückverwandeln können. Also setzte sich Mira auf das Fensterbrett undschwang ihre Beine nach draußen. Sie würde wohl springen müssen. Der blecherne Rand des Fensterbretts schnitt ihr in die Kniekehlen. Sie sah hinunter zu Rabeus, er wirkte ganz klein.
So war es viel zu hoch zum Springen! Also drehte Mira sich um, ließ sich über das Fensterbrett gleiten, hielt sich mit beiden Händen daran fest und hing für ein paar Sekunden mit ausgestreckten Armen in der Luft.
Dann schloss sie
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