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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vermieden.«   
    »Und die weniger Begabten?«
    »Denen blieb ohnehin nur die zweite Method e . Pas s auf!« Múria legte ihre linke Hand auf den Kompass, hielt ihn fest
    und zog den Umhang mit der anderen darunter entlang. Als das Messing gegen den Saum stieß, beendete sie ihre Demonstration und blickte ihren Schüler wieder an. »Erkläre mir, was ich gerade getan habe.«
    Ergils Augen wanderten immer noch über das faltige Gewebe. Ihm kam es so vor, als würden sich seine Gedanken verknoten. »Der Strom der Zeit hat mich nicht fortgetragen«, murmelte er.
    »Un d weiter?«
    »Ich bin… stehen geblieben?«
    »Beinahe.«
    »Nein , ic h habe die Richtung der Zeit bestimmt und ließ sie einfach schneller unter mir entlangfließen.«
    Múria nickte anerkennend. »Der Schüler hat seine Lektion verstanden. Sehr gut, mein Lieber! So kann der Sirilo eine Person, ein Tier oder einen Gegenstand älter oder jünger werden lassen, ohne die Geschichte der ganzen Welt zu verändern. Die höchste Kunst besteht jedoch darin, alle Methoden miteinander zu verbinden: die Zeit und den Raum z u kontrollieren.«
    »So als würde man mit einer Nadel durch die Fa l ten des
    Umhang s stoßen?«
    »Du sagst es. Stell dir vor, du möchtest einen schönen Schmetterling retten, der gerade von einer Krähe angegriffen wird. Wie gehst du vor? Schiebst du ihn einfach auf dem Faltentuch zurück? Dann wäre er früher oder später wieder a m selben Ort und würde trotzdem gefressen. Versetzt du ihn aber in die Zukunft, dann wäre ihm damit auch nicht gedient.«
    »Weil der Vogel ihn längst verdaut hätte?«
    »Mahlzeit. Aber du hast Recht.«   
    »Und wenn ich ihn an eine andere Stelle bewege, wo die  Kräh e ih n nich t sehe n kann…«
    »… dann wäre er in Sicherheit. Mir ist allerdings keine Sirila und kein Sirilo bekannt, denen das jemals gelungen wäre.«
    »Dann wird der hübsche Falter also auf jeden Fall gefressen?«
    »Nicht unbedingt. Die Gabe der Sirilim ist immer mit der Zeit verbunden. Was Zeit kann, vermag auch die Gabe zu tun. Du hast Triga zu Staub zerfallen lassen, weil du den Mantel sozusagen unter seinen Beinen weggezogen hast. Falgons Herz gelangte wieder auf das Faltentuch zurück, weil du es wieder darunt e rschobst. Und der Schmetterling kann gerettet werden, wenn du das Gewebe aus Zeit und Raum nicht nur waagerecht  – also in die nächste Stunde –, sondern auch senkrecht – soll heißen, auf eine andere Falte, an einen anderen Ort – verschiebst.«
    Ein Vorhang s c hien sich in Ergils Bewusstsein zu heben. »Du meinst… nicht dorthin, wo er sein wird, sondern wo er sein könnte?«
    Múria belohnte ihn mit einem wunderbaren Lächeln. »Jetzt hast du es begriffen. Vieles ist vorauszuahnen, aber weniges ist vorherbestimmt. Der Strom der Zeit ist in Wirklichkeit ein Flussdelta mit vielen Verästelungen. Auf dem einen Wasserarm wird der Schmetterling von der Krähe gefressen, aber wenn du sein Floß in einen anderen lenkst, dann wird er auch an einem anderen Ort ins Meer der Unendli c hkeit gelangen. So kannst du ihn retten.«
    Ergil schwirrte der Kopf. »Und wie stelle ich das an? Bewusst, meine ich. Wie kann ich Zeit und Ort für den bedrohten Falter ändern?«
    Múria tätschelte ihm die Hand. »Heute habe ich versucht, dir eine Vorstellung von deinen Möglichkeiten zu vermitteln. Was die praktische Anwendung anbelangt, werden wir ein wenig  mehr Mühe aufwenden müssen. Ich habe beschlossen, dir für den Rest des Tages freizugeben.«
    Ergil zog den Mund schief. »Ist das schon wieder eine  Falle?«
    Sie lachte. »Nein. Nur eine Maßnahme der Vernunft. Du wirst sowieso nicht aufpassen, wenn wir nachher in Bolk anlegen.«
    Was? , jubilierte Twikus. Ist ja toll!
    Sein Bruder meldete Bedenken an. »Und wenn uns wieder
    Spione entdecken? Kann das nicht sehr gefährlich werden?«
    »Herzog Qujibo ist im Gegensatz zum König ein sehr besonnener Mann. In seinem kleinen Reich besitzt Hjalgord keine Macht. Deshalb hat sich Bombo heute Nacht dazu entschlossen, den Hafen von Bolk anzulaufen und ein paar alte Bekannte aufzusuchen. Er möchte, bevor er mit uns ins Unbekannte aufbricht, so genau wie möglich über die derzeitige Gefahrenlage auf unserem Kurs informiert sein. Schekira, Falgon, Dormund und ich hielten das für eine kluge Idee.«
    »Und warum hat mich oder Twikus keiner gefrag t ?«
    »Ihr habt so fest geschlafen, da wollten wir euch nicht wecken.«
    Ergil erinnerte sich. Nach dem gestrigen Unterricht

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