Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
Wikanders? Das könnt Ihr Euch aus den Köpfen schlagen.«
Ich hätte große Lust, diesem h ässlichen Zwerg doch ein Auge auszuschießen, sprach Twikus’ Stimme mitten in Ergils Gedanken hinein.
Dann bleiben ihm immer noch drei.
Dafür reichen meine Pfeile noch.
Lass das, Twikus! Du hast doch gehört, was der Oheim gesagt hat.
Willst du etwa tatenlos zusehen, wie die Ungeraden die ganze Stadt niedermachen?
Natürlich nicht.
Dann tu gefälligst was, sonst mach ich’s.
Untersteh dich, mir noch einmal den Körper zu entreißen!
Kleinen verängstigten Jungen muss man manchmal auf die Sprünge helfen.
Ich bin ke i n… Was hast du gesagt?
Dass du einen Tritt in den…
Nein, das mit dem Jungen. Ergils eben noch verschwommener Blick fixierte wieder den Wagggeneral, der nach wie vor mit Quondit verhandelte. Du, ich glaube, jetzt weiß ich, wie wir’s schaffen könnten.
Soll ich ein wenig mit dem gläsernen Schwert in der Luft herumfuchteln? Das würde sie bestimmt beeindrucken.
Im Gegenteil. Ich werde es auseinander nehmen.
Was…?
Vertrau mir. Du wirst gleich wissen, was ich versuchen möchte. Hilf mir ein bisschen dabei.
Ergil d r ehte Zijjajims Blütengriff so herum, dass er das Heft des Elvenschwertes sehen konnte. Dann ließ er seinen Geist in die Waffe eindringen und zog, Daumen und Zeigefinger wie eine Pinzette benutzend, an dem Dorn. Erstaunlich leicht glitt er aus dem zylindrischen Loch und die zusammengeklappte Stahlknospe löste sich vom gläsernen Heft.
Nachdem Ergil es in seine Hosentasche gesteckt hatte, schloss er für einen Moment die Augen. Er musste sich sammeln. Es war zu schaffen, das wusste er, denn umgekehrt hatte er s chon einmal seinen Willen aus den Fesseln eines anderen befreit. Hier war es ähnlich. Die Waggs würden ihn töten. Oder ihn gefangen nehmen, um ihn an Wikander auszuliefern.
So wie es Triga hatte tun wollen.
Ergil holte tief Luft, öffnete die Augen und rief mitten in den Wortwechsel der beiden Anführer hinein: »Kawuzz!«
Der Herzog sah erschrocken nach links, wo der Prinz sich mit gestrafften Schultern an der Brustwehr aufgebaut hatte. Sogar der Wagggeneral wirkte erstaunt.
»Komische Sitten hast du in deinem Reich, Quondit«, grunzt e er . »Wen n mir ein Frischling übers Maul fahren würde, dann täte ich ihm die Zunge herausschneiden.«
Das Gesicht des Herzogs lief rot an. Er schöpfte gerade Atem, um zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, aber wiederum kam ihm Ergil zuvor.
»Ich soll ein Frischling sein? Dabei plapperst du doch wie ein unreifer Knabe, Kawuzz, dem nichts anderes einfällt, als Widerredner um ihre Zunge zu erleichtern. Reicht solcher Kinderkram bei den Waggs etwa aus, ein Heer in die größte Schlacht zu führen, die je außerhalb von Bilath berdeor gefochten wurde? Werden deine Soldaten wirklich einem unerfahrenen Balg i n de n Kamp f folgen?«
Der Heerführer war für einen Augenblick perplex. Der dreiste Jungspund hatte ihn vor der versammelten Kriegerschaft ein Ba l g geheißen. Ein Raunen ging durch die Schlachtreihen des Grondfolks. Kawuzz flüchtete sich in zur Schau gestellte Verachtung. Seine beiden Köpfe brachen in schallendes Gelächter aus. Er bog sich vor Lachen und es sah aus, als könne er sich nur dank seines festen Stands auf den drei Beinen halten.
Ergil nutzte diesen Moment, um sich die Spitze des Elvenschwertes an den Handballen zu setzen. Nicht einmal Schekira bemerkte es. Dieser Wicht will dir die Freiheit nehmen, selbst über dein Schicksal zu entscheiden, machte er sich noch einmal klar. Dann stach er zu.
Der Schmerz spülte alle Ängste und Bedenken aus seinem Hirn. Was blieb, war schiere Entschlossenheit. Seine Augen waren auf Kawuzz gerichtet, als wollten sie ihn verbrennen. Trotzdem sah er am Rande des Gesichtsfeldes die Reihen der Gegner, eine lebende Barriere, die sich vom Fluss im Osten bis irgendwo im Westen erstreckte. Die wuselnde Mauer begann zu wogen. Ergils unverletzte Hand griff rasch zur Brustwehr, weil ihn der Schwindel umzuwerfen drohte. Benommen blinzelte er. Die Formation der Waggs begann zu verblassen und verschwand schließlich ganz. Nur Kawuzz stand noch da. Das winterbraune Gras zu seinen Füßen wurde plötzlich grün, dann wieder braun und erneut wechselte es in die frische Farbe des Frühjahrs; immer schneller vollzog sich der Wechsel. Über dieser unwirklichen Szene rasten Sonne und Mond am Himmel entlang, als seien sie nur leuchtende Bälle, die ein kleiner Knabe an
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