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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Meers, aus den Tiefen unter der Sooderburg, wo er im Traum die schwarze Lohe gesehen hatte? Für menschliche Ohren blieb das Gewisper vermutlich unhörbar und sogar ein Sirilimgeist konnte es nur schw a ch vernehmen. Twikus fragte sich, ob die unangemessene Beschwingtheit, die spätestens seit dem Sieg über den Sindran unter den Gefährten zu beobachten war, ein Vorbote jenes Wahnsinns sein konnte, der nüchtern denkende Menschen zum Selbstmord im Schollenm e er trieb…
    Mitten in diesen Gedanken hinein scholl unvermittelt eine Stimme so hell und klar wie ein klingender Kelch aus Kristall. Die Köpfe der Gefährten fuhren herum. Ihre Augen wandten sich zur Klippe nach oben.
    Auf dem Mondkap stand eine junge, wunderschöne Frau mit langem, kupferfarbenem Haar. Sie trug ein kurzes, silbrig schimmerndes Kleidchen, das für die Jahreszeit völlig unpassend war.
    Es dauerte einen bewegenden Moment, bis Twikus bewusst wurde, dass er nur ein Trugbild sah. Irgendwo da oben musste sich Schekira befinden. Sie hatte dieses ergreifende Lied angestimmt, dessen traurige Harmonien ihm sehr vertraut vorkamen. Hatte er sie nicht schon einmal in einem Traum gehört, in dem sich viele hundert Kehlen zum Abschied ihrer Prinzessin vereinten?
    Der melancholische Gesang war wie Balsam in den Ohren und Herzen der Gefährten. Sogar die unnatürliche Fröhlichkeit,  die offenbar vom Meer ausging, war für kurze Zeit zurückgedrängt.
    »Schaut nur!«, sagte Múria.
    Twikus drehte sich zu ihr um und ließ seinen B lick an ihrem ausgestreckten Arm entlang auf die See hinauswandern.
    »Es sieht aus, als trieben die Schollen mit einem Mal aufeinander zu«, murmelte er.
    »Sie tun es tatsächlich. Sieh mal, da drüben, da haben sie sich schon vereint.« Múria deutete auf eine Ansammlung von Schollen. Als verberge sich darunter ein Magnet für gefrorenes Wasser, wurde dort immer mehr Treibeis zusammengezogen. Es war unglaublich.
    »Kein Wunder, dass Kira uns nicht verraten wollte, was sie vorhat. Wir hätten sie glatt für verrückt erklärt«, sagte Twikus.
    Tusan nickte. »So richtig erwärmen kann ich mich trotzdem noch nicht für den Gedanken, auf einem Floß aus Eis nach Soodland überzusetzen.«
    Während die traurige Melodie über dem Mondkap schwebte, fanden immer weitere Schollen zusammen. Erstaunlich war die Passgenauigkeit der einzelnen Stücke – als würde eine unsichtbare Hand die Scherben einer zerbrochenen Tafel wieder aneinander fügen. Viele Fragmente drehten sich sogar in die bestmögliche Lage, bevor sie nahtlos ihre Lücke im Floß schlossen. Als die Eisdecke eine Fläche umfasste, unter der sich das Oberdeck der Meerschaumkönigin hätte verstecken können, verstummte der Gesang. Wenig später hörte Twikus ein wohl vertrautes Brummen. Schekira landete auf seiner linken Schulter.
    »Wie gefällt dir unser Floß, mein Retter?«
    »Wunderbar. Hast du das nur mit dem Lied geschafft?«
    Sie lachte. »Ja und nein. Uns Waldelven mag es an Größe und körperlicher Kraft mangeln, aber dafür haben wir vom  Herrn der himmlischen Lichter andere Gaben erhalten. Mit dein Tanz der Kristalle lässt sich so manches bewegen.«
    »Tanz der Kristalle?«
    »So nennen wir dieses Lied, das Macht über die Kristalle hat. Aus solchen besteht auch Eis; genauso wie Schnee.«
    Die Hand des Prinzen tastete am Hals nach der Kette seiner  Mutter. »Und wie Satim«, murmelte er.
    »Du sagst es. Beim Abschied aus dem Großen Alten haben meine Brüder und Schwestern diese Melodie gesungen und Millionen der silbernen Körnchen durch die Nacht tanzen lassen.«
    »Ic h weiß.«
    »Du… hast es gesehen?« Die Elvin wirkte erstaunt.
    »Eigentlich Ergil, aber wenn einen von uns beiden etwas besonders berührt, dann träumt auch der andere davon. Jene letzte Nacht in unserem Wald war von dieser Art. Ich hoffe, du bis t un s nich t böse.«
    Sie lachte abermals. »Warum? Ihr seid meine Retter. Von Freunden sagt man doch: ›Geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude doppelte Freude.‹ Ich bin froh, dass dieser Moment nicht nur mir etwas gegeben hat.«
    »Kleine Schwester«, meldete sich Múria leise zu Wort, »wie geht es jetzt weiter? Das Floß hat kein Segel und – bitte verzeih meine offenen Worte – es macht auf mich auch keinen besonders stabilen Eindruck.«
    »Ich werde es mit meinem Gesang lenken und zusammenhalten.«
    »Bei dem Gedanken wird mir angst und bange. Fünfzig Meilen – das sind viele Stunden, womöglich ein ganzer Tag! Was

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