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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wie ein ängstlicher kleiner Junge, d e r weiß, dass er über viel zu dünnes Eis läuft.
    »Tusan!«, brüllte er verzweifelt.
    Aus dem Nebel klang dumpf ein irres Lachen.
    Die Gefährten auf dem Floß stimmten fröhlich mit ein.
    »Nein!«, jammerte Ergil. Er sank vor Kummer und Erschöpfung auf die Knie. Auch vor seinem inneren Auge waberte Nebel, grüne Schwaden, in denen nirgends der fortdriftende Freund zu sehen war. Dem Prinzen wurde schmerzlich bewusst, was er sich zuvor nicht hatte eingestehen wollen. Seine Kraft reichte nicht. Kaum anders als Schekira war er zum Umfallen ermattet. Eine Stimme, die an Bitterkeit kaum zu überbieten war, hallte durch seinen Geist. Sie gehörte Twikus.
    Wir sind zu schwach, um gleichzeitig Tusan und den anderen Gefährten zu helfen. Du musst dich entscheiden, Ergil. Rettest du ihn, werden sie ins Wasser springen.
    Aber er ist doch auch dein bester Freund. So eine  Entscheidung kann ich nicht treffen.  
    Du musst!, beharrte Twikus und seine Gedanken klangen so finster wie eine Todesglocke. Konzentriere sofort deine ganze Kraft auf das Licht, damit wenigstens die Zurückgebliebenen gerettet werden.
    Ergil weinte bitterlich, aber er tat, was sein Bruder ihm geraten hatte. Und während Zijjajims Licht das Gift des Banns aus dem Sinn seiner Gefährten brannte, verfluchte er Wikander und seine unheimliche Macht.
    Das Schollenfloß zerfiel, wenige Augenblicke nachdem die Gefährten an Land gegangen waren. Wieder herrschte Nacht. Schekiras Stimme hatte zuletzt nur noch leise und ganz heiser geklungen, jetzt war sie so ausgelaugt wie noch nie in ihr em langen Elvenleben.
    Ergil und Twikus ging es noch schlechter. Einen ganzen Tag und fast zwei Nächte lang hatten sie das Feuer des gläsernen Schwertes wach gehalten. Zugleich mussten sie ihren Geist ja gegen jene unheimliche Kälte wappnen, die lähmender w ar als das Eis zu ihren Füßen und deren Intensität ständig zugenommen hatte, je näher sie der Insel gekommen waren. Über die Ursache dieser Furcht einflößenden Wahrnehmung machten sie sich längst keine Illusionen mehr: Sie kam von der schwarzen Lohe oder vielmehr von dem, was diesen Alptraum heraufbeschworen hatte. Inzwischen fühlten die Zwillinge sich dem Tode näher als dem Leben. Wenn sie wenigstens vollzählig die gefährliche Reise über die Meerenge bewältigt hätten, dann wäre der Erfolg ihnen zur neuen Kraftquelle geworden, aber so – Tusans Verlust schmerzte wie ein Schwert in der Brust.
    »Ich mache mir Sorgen um ihn«, hörte Ergil seine Meisterin flüstern. Sie hatte ihn gerade untersucht und ihm einen Trunk aus bitteren Kräutern eingeflößt. Nun befand er s ich in einem  seltsam schwerelosen Zustand, der sogar die kalte Bedrohung aus der Klippe unter der Sooderburg weniger beißend erscheinen ließ. Er lag auf den Zweigen einer Tanne in Decken eingehüllt im Schnee. Seine Augen waren geschlossen. Schekira schlummerte auf seiner Brust. Über sie beide waren Nisrah und der Fellmantel gebreitet.
    »Ohne den Jungen geht es nicht. Er sollte uns mit seiner  Gabe vor Wikanders tausend Augen schützen.«
    Wikanders tausend Augen, wiederholte der Prinz in Gedanken die Worte seines Ziehvaters. In letzter Zeit hatte Falgon diese Wendung des Öfteren für die Spione, aber auch für die Kräfte ihres Widersachers benutzt. Ergil hörte wieder Múria sprechen.
    »Der Großkönig wird seine Aufmerksamkeit wahrscheinlich nur auf die engere Umgebung der Sooderburg richten.«
    »Aber ich wette, er sendet regelmäßige Patrouillen aus, die das Gelände im Umkreis der Klippe durchforsten. Bald bricht die Dämmerung an. Vielleicht wäre das der richtige Augenblick für einen strategischen Rückzug.«
    »Aus dir spri c ht wieder mal der Feldherr, mein Lieber. Aber bedenke, dass unser Kommen bemerkt worden sein könnte. Uns bleibt vielleicht wenig Zeit, die richtige Entscheidung zu fällen. Ich bin dafür, den Feind auf eine falsche Fährte zu locken. Immerhin verfüge ich über eine gewisse Macht. Nichts im Vergleich zu dem, was die Zwillinge bei guter Verfassung ausrichten können, aber so unauffällig wie zwei kleine Mäuslein sind wir allemal.«
    »Und was, wenn der Großkönig ein paar Katzen auf uns angesetzt hat? Ich muss dich wohl nicht erst daran erinnern, dass seine Spione auch Pelz tragen.«
    »Meine Sirilim - Melodie hätte selbst Murugan blind und taub gemacht. Leider geht es mir wie Schekira: Ich kann nicht ewig singen. Aber für eine Weile dürfte das Lied

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