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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ist es auszuhalten.
    Sollen wir Inimais Mittel schlucken?
    Hab auch schon darüber nachgedacht. Was bleibt uns denn für eine andere Wahl? Wir können doch nicht all die Mühsale auf uns genommen haben, um jetzt einen Rückzieher zu machen.
    Du musst immer den Helden spielen, was? Es könnte uns das  Leben kosten.
    Hast du etwa Tusan schon vergessen?   
    Was redest du da! M e in Herz wird jedes Mal kalt wie ein Stein, wenn ich an ihn denke. Irgendwie fühle ich mich schuldig an seinem Tod. Er war unsere Hoffnung, Twikus. Er kannte keine Furcht. Wie sollen wir jetzt die Wächter unter der Burg bezwingen?
    Das wird sich zeigen, Bruder. Ich bin überzeugt, der Herr der himmlischen Lichter hat uns nicht so weit kommen lassen, um hier und jetzt aufzugeben. Es gibt eine Möglichkeit, die Wachen zu überwinden – ich fühle es.
    Mir geht es genauso. Schon seit wir bei Olam im Palast der Schmetterlinge waren. Aber ich komm nicht drauf. Vielleicht sollten wir warten, bis…
    Nein, Ergil. Dazu ist es zu spät. Du hast doch gehört, was unsere Meisterin gesagt hat. Dies ist vielleicht unsere letzte Chance. Wenn unser verfluchter Onkel uns erwischt, dann wäre Tusan umsonst gestorben. Willst du das? Außerdem – Wikander hat vermutlich noch viele Flüche, mit denen er die Bewohner von Mirad blenden und ihren Verstand benebeln kann. Sollen die Menschen lachend im Unglück versinken wie unser Freund?
    Der Prinz s c hüttelte langsam den Kopf. Wie könnte er so etwas wollen?
    »Möchtest du das Mittel nicht? Sollen wir uns irgendwo auf der Insel verstecken?«, fragte Múria.
    »Nein. Ich schlucke deine Medizin und wir gehen in die
    Sooderburg.«
    Sie nickte. »Vertrau mir, es wird alle s gut.«
    Múria zündete ein Talglicht an, stellte es in ein kleines Tongefäß und bereitete in einem Tiegel über der Flamme einen dicken Sud zu. Anschließend drückte sie das Töpfchen in den Schnee, um es abzukühlen. Es war immer noch heiß, als sie es Er g il mit den Worten reichte: »Leider hilft das Mittel nur… dem Menschen in dir.«   
    Er setzte sich auf, sorgsam darauf bedacht, die schlafende  Elvin nicht zu wecken. »Wie meinst du das?«
    »Es kann deine alte Gabe – die Talente des Sirilo in dir – nicht direkt stärken. Allerdings wird sich dein Geist schneller erholen, wenn es deinem Leib besser geht.«
    Ergil benutzte seine Decke als Wärmeschutz, um den irdenen Topf in die Hand nehmen zu können. Nachdem er eine Weile hineingeblasen hatte, nippte er an dem dickflüssigen Tee. Er schmeckte gallebitter.
    »Du musst möglichst alles in einem Zug austrinken«, erklärte  Múria.
    Am liebsten hätte Ergil den Tiegel in den Schnee geschleudert, aber eine Stimme in seinem Innern drängte ihn, es nicht zu tun.
    Denk daran, warum wir hi e r sind, Ergil, und schluck das  Zeug.
    In seinem tiefsten Herzen empfand er genauso wie Twikus. Ergil pustete noch einmal in das Gefäß, hielt es wie zu einem Trinkspruch Múria entgegen und sagte leise: »Auf Tusan!« Dann stürzte er die bittere Medizin hinunt e r.

26
DA S LABYRINT H DE R ANGST
     
     
     
    Im Traum hatte sie genauso ausgesehen. Hoch thronte die Sooderburg auf der Klippe, ein steinerner Wächter, der die ganze Insel und das Meer zu überblicken schien. Als Ergil vom felsigen Strand zum Knochenturm hinaufblickte, diesen bleichen Bergfried über der kabbeligen See, durchlief ihn ein Schauder. Ja, abgesehen von der schwarzen Lohe, war alles da  – sogar der spitze Fahnenmast mit dem Banner des  Großkönigs.
    »Schwarzer Drache auf blutrotem Grund«, murmelte er und hätte schwören können, das Wappen im matten Licht des frühen Morgens genau zu erkennen, obwohl das nicht möglich war.
    Bis eben hatte Múria an seiner Seite über das felsige Ufer kletternd mit einem leisen Singsang ein Tarnnetz aus Tönen gesponnen, das die beiden Eindringlinge vor »Wikanders tausend Augen«, aber auch vor unsichtbaren Lauschern verbergen sollte. Jetzt verstummte sie, blieb stehen und fragte:
    »Wa s has t d u gesagt?«
    Während Ergil ebenfalls innehielt, sich vorsichtig zu ihr umdrehte, atmete er tief den modrigen Geruch von Tang und Schlamm ein. Mit der Linken zum Knochenturm hinaufdeutend, antwortete er: »Das alles habe ich viele Male in meinen Träumen gesehen.«
    »Mit einem Unterschied.«
    »Die schwarze Flammenzunge fehlt.«   
    »Nein, du bist geflogen. Jetzt musst du krabbeln wie ein Krebs, und zwar schnell, damit wir nicht entdeckt werden. Da geht’s lang.« Sie deutete

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