Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
uns in den Höhlen vor › W ikanders tausend Augen‹ verbergen. Zumal wenn sie abgelenk t sind.«
»Mit anderen Worten, Dormund und ich sollen die Lockvögel spielen.«
»Nehmt die kleine Schwester mit. Sobald sie sich erholt hat, kann sie einen Erkundungsflug über die Burg unternehmen. Si e soll uns beim Knochenturm erwarten, du weißt schon, da, wo der Geheimgang endet.«
»Mir gefällt das nicht, Inimai.«
Sie lachte leise. »Das ist doch nichts Neues, mein Lieber. Aber sieh es einmal so: Wenn ich dich in Sicherheit weiß, dann brauche ich mich nicht zu fürchten. Somit dürfte ich für die Wächter unter der Burg eine ziemlich harte Nuss sein.«
»Heiß t das…?«
Ergil hob den Kopf, weil er fast körperlich spürte, wie plötzlich die Luft zu knistern begann. Falgon und Múria waren nur zwei Schemen, die einander bei den Händen hielten.
»Ja«, sagte die Heilerin leise und senkte den Blick. »Auch wenn dies vielleicht der unpassendste Augenblick ist, dir das zu gestehen, Falgon, aber ich liebe dich. Wahrscheinlich konnte ich bis heute nicht über meine wahren Gef ü hle für dich sprechen, weil ich schon einmal einen Mann verloren habe, ehe wir den Bund des Lebens schließen konnten. Aber jetzt…« Sie schüttelte den Kopf und – Ergil konnte es kaum fassen – Múria schluchzte.
»Ich werde auf mich Acht geben«, erklärte Falg o n unbeholfen. »Und… und ich empfinde dasselbe für dich. – Wenngleich…«
Sie sah ihm wieder ins Gesicht. »Was?«
»Wenngleich unsere Liebe wohl immer unerfüllt bleiben muss.«
»Du meinst, weil ich viel älter als du bin…? «
»Du bist so schön wie die Verkörperung ewiger Jugend«, fiel er ihr ins Wort. Die beiden Schatten rückten noch ein wenig näher. »Ja, meine liebe Inimai. Mir bleiben ein, zwei, wenn es hoch kommt, drei Jahrzehnte, aber du wirst noch viele Generationen an dir vorüberziehen sehen.«
»Wenn zwei sich finden und beieinander bleiben, dann treten sie selten gemeinsam von dieser Welt ab. Einer scheidet, der andere bleibt – so ist leider das Leben. Solltest du vor mir gehen, werde ich dein Andenken in mir bewahren…«
Ergils Kopf war herabgesackt, weil er ihn nicht länger hatte hochhalten können. Múria musste das Knirschen des Schnees unter der Decke gehört haben.
»Es ist wohl besser, wenn ich mich jetzt um die Jungen kümmere. Mir scheint, sie brauchen dringend eine Stärkung.«
Ergil hob wieder den Kopf, als Múrias Schemen sich ihm näherte. »Inimai…«
»Pscht!«, machte sie. »Besser, du bist jetzt still, mein Lieber. Andere Leute zu belauschen ist sehr anstrengend.«
Sein Haupt fiel auf die Decken zurück. »Es… war nicht zu vermeiden. Ich hätte mir schon die Finger in die Ohren stecken müssen…«
»Warum hast du’s nicht getan?«
»Äh … ich…«
Sie lachte leise. »Ist schon gut, mein Lieber. Du und dein Bruder haben mich ja sowieso schon am Abend unserer ersten Begegnung durchschaut. Aber jetzt – und das meine ich ernst – schweig bitte. Du musst dich unbedingt schonen. Ich habe in meinem Kräuterbeutel ein paar sehr wirksame Pflänzchen, die dir wieder auf die Beine helfen werden.« Sie öffnete den Sack und fing an, darin herumzukramen.
»Ich fühle mich, als könnten mich keine zehn Krodibos in die Burg bringen. Was ist das für ein Zeug, das mir so viel Kraft gebe n soll?«
»Ein wenig Eisenhut…«
»Was? Das ist doch das Gift, mit dem du Twikus in deinem Haus…«
»Willst du wohl endlich ruhig sein, Ergil! Keine Angst, ich werde dich schon nicht umbringen. Die Menge, die ich dir verabreiche, ist viel zu gering, um dir zu schaden. Außerdem kommt es in diesem Fall auf die richtige Mischung an. Alles zusammen – Eisenhut, Basilienkraut, Rosmarin, Wiesenwolf und noch ein paar andere Kräuter – wird die Vorratskammern deiner Kräfte öffnen, um das Letzte herauszuholen. Das ist allerdings nicht ganz ungefährlich…«
»Als o doch.«
»Keineswegs in dem Sinne, wie du denkst. Du wirst dir vorkommen wie neugeboren, aber das ist ein trügerisches Gefühl, weil du nicht spürst, wann deine Kräfte endgültig versiegen. Wenn du zu viel von dir verlangst, könntest du von einem Moment zum nächsten tot umfallen.«
Ergil schluckte. Er zog die Hand unter der Decke hervor, um Múrias Schweigen zu erbitten, und richtete seine Aufmerksamkeit nach innen.
Twikus, bist du wach?
Ja, antwortete der Bruder. Wie fühlst du dich?
Solange du dich mit unserem müden Körper abplagen musst,
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