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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Windeseile die Senke hinab, die der Bach in vielen Zeitaltern gegraben hatte. Von dort unten war der Ruf gekommen. Der junge Jäger hatte einen schlanken Wuchs und überragte seinen Lehrmeister bereits um mehr als einen Kopf, daher konnte er in raumgreifenden Schritten laufen. In seiner Vorstellungskraft gab es wenig  Furchterregendes, vielleicht sogar nur eines – und ausgerechnet diesem jagte er jetzt entgegen.
    Die heiser quiekenden Stimmen der Grotans wurden ra sch lauter. Unter Schaudern entsann sich Twikus der Begegnung mit einem der gefährlichen Jäger vor zehn Jahren. Als kleiner Junge wäre er fast zerrissen worden, wenn Falgon ihn nicht gerettet hätte. Dem Fauchen und Brüllen unten bei den Felsen nach zu urt e ilen musste er sich nun gleich mit einem ganzen Rudel der tückischen Raubtiere anlegen, eine Vorstellung, die grauenvoller kaum sein konnte. Mehr als die Angst um sich selbst war es das Bangen um Falgon, das ihm fast die Besinnung raubte. In Innern des ju n gen Mannes wurde das Unterste zuoberst gekehrt. Gefühle und Gedanken brodelten nur so umeinander, wie die unter ihm durch ihr steiniges Bett tobenden Wasser des Wildbaches.
    Dieser Anblick im Verein mit den donnernden Geräuschen hatte Twikus seit eh und je gemischte Gefühle beschert, obgleich er nur angenehme Erinnerungen an dieses Fleckchen Wald besaß. Bei den großen, rundgeschliffenen Felsen hatte er oft zusammen mit Falgon nach Fischen gejagt, der Alte mit einer Lanze und er mit einer angespitzten Rute. Offenbar war Falgon auch an diesem Morgen zur Flussbiegung hinabgestiegen, um beim Forellenfang Ablenkung zu suchen von dem beunruhigenden Traum seines Zöglings – nicht ahnend, dass er sich dadurch in eine Falle begab.
    Die Schweineluchse hatten den sandigen Uferplatz bei der Biegung umstellt. Vier Tiere bildeten einen undurchdringlichen Kordon am Wasser. Zwei andere standen oben auf den Felsen und blickten nach unten. Twikus glaubte die Anwesenheit weiterer Grotans zu spüren, die er aus seiner gegenwärtigen Position aber noch nicht sehen konnte. Er blieb stehen und schüttelte bei geschlossenen Augen den sonnenblonden Schopf, um seine Konzentration  zurückzugewinnen, aber der Traum von Falgons Tod aus der vergangenen Nacht hing weiter wie ein drohender Schatten über ihm. Als er endlich den ersten Grotan anvisierte, kehrte in seinen Geist eine große Ruhe ein. Du darfst jetzt nicht versagen!, ermahnte ihn eine Stimme in seinem Kopf. Der Gedanke war noch nicht gedacht, als sein erster Pfeil von der Sehne sauste, und ehe er sein Ziel erreichte, schwirrte auch schon der zweite durch die Luft.
    Auf den nackten Armen des Bogenschützen standen sämtliche Härchen zu Berge, als die beiden Grotans mit schrillem Quieken den Tod empfingen. Twikus lief weiter. Während er auf den Felsen zurannte, verschoss er zwei weitere Pfeile. Nur mit dem ersten konnte er einen weiteren Gegner unschädlich machen, denn die schlauen Tiere hatten schnell begriffen, dass sie ihre Taktik ändern mussten. Überraschend flink suchten sie Deckung, ohne jedoch den Fluchtweg vom Uferplatz freizugeben.
    Endlich erreichte Twikus den Felsen, auf dem die beiden zuerst niedergestreckten Grotans lagen. Ein Tier röchelte noch. Der junge Jäger zückte sein Messer und schnitt beiden die Kehlen durch. Erst danach eilte er zum Rand des Felsens, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
    Falgon stand unter ihm, das kurze Breitschwert drohend vor sich haltend. Zu seinen Füßen lagen zwei tote Schweineluchse, die das Schwert Biberschwanz offenbar unterschätzt hatten. Ein Stück weit Richtung Wasser steckte seine Lanze tief im Rachen eines weiteren Grotans.
    »Bist du in Ordnung?«, rief Twikus nach unten.
    »Nein, stinksauer«, knurrte Falgon zurück.
    Der Junge atmete erleichtert auf. »Wenn dir sonst nichts fehlt.«
    »Doch, deshalb bin i ch ja so fuchsig. Beim Lanzenfischen hatte ich meinen Bogen und die Pfeile da drüben bei den    Steinen liegen gelassen. Jetzt haben mich die Viecher hier festgenagelt und ich komm nicht dran.«
    »Sechs von neun sind tot. Ich fürchte aber, dass noch weitere in der Nähe sind. Besser, du kommst so schnell wie möglich zu mir herauf. Ich werde die Biester am Ufer in Schach halten und ihnen ein drittes Loch in die Schnauze schießen, wenn sie es wagen sollten ihre Rüssel zwischen den Felsen hervorzustrecken.«
    Du bist ein Hitzkopf!
    Twikus zuckte zusammen. Wer hatte da eben zu ihm gesprochen? »Was ?«, rief er nach unten, obwohl

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