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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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er sicher war, dass Falgons Lippen sich nicht bewegt hatten.
    »Ich habe nichts gesagt«, antwortete der Waldläufer, ohne seinen Blick von den Felsen am Wasser zu nehmen.
    Dein Kopf steckt schon in der Schlinge und du merkst es nicht einmal.
    Twikus ging unwillkürlich in Deckung. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Spielten ihm seine Nerven einen Streich? Anspannung, Furcht und die Sorge um Falgon musst e n ihn ärger mitgenommen haben, als er sich eingestehen wollte.
    Jetzt steh da nicht dumm herum, sondern kümmere dich um das Leittier. Es ist ein Menschenfresser und lechzt nach unserem Blut.
    Es dauerte ziemlich lange, bis Twikus zu dem Schluss gelangte, dass er in Gedanken Selbstgespräche führte – anders konnte er sich die Stimme nicht erklären. Er hatte seine Sinne überanstrengt, nichts weiter.
    »Warte noch einen Moment!«, rief er nach unten, weil Falgon sich bereits anschickte, zu ihm heraufzusteigen.
    »Was is t den n noch?«
    »Ich spüre eine Gefahr.«
    »Hast du noch andere Grotans entdeckt? Wo?« Falgon hob erneut das Schwert und wandte sich wieder dem Wasser zu.
      »Gib mir einen Augenblick Zeit.«
    Falgon brummte irgendetwas Unverständliches. Er wusste um die besondere Wahrnehmungsfähigkeit seines Zöglings, nannte sie aus einem für diesen unerfindlichen Grund bisweilen sogar dessen »alte Sinne«, aber der Waldläufer hatte Twikus nie dazu ermuntert, sie zu gebrauchen.
    Wo ist der Leitgrotan?, fragte sich der Jäger auf d e m Felsen.
    Rechts von dir im Gebüsch, kam umgehend die Antwort aus seinem Innern.
    Twikus fuhr abermals zusammen. Was war nur los mit ihm? Nie – außer in seinen Träumen vielleicht – hatte er auf diese Weise gedacht. Er suchte mit Augen und anderen Sinnen das dichte Gebüsch ab, das unweit der Flussbiegung bis zum Wasser hinab wucherte. Richtig! Jetzt spürte er den Grotan in seinem Versteck auch. Warum war ihm das Tier nicht schon früher aufgefallen?
    Weil er so kalt ist wie ein Stein, antwortete es erneut aus seinem Geist. Er hat seinen ersten Menschen schon vor langer Zeit getötet, als der ihm ans Leder wollte. Seitdem ist es für ihn zur schlechten Angewohnheit geworden, sein Rudel zur Hatz gegen unsereins aufzustacheln.
    Twikus hätte fast laut aufgelacht. Er w a r drauf und dran, den Verstand zu verlieren. Und woher willst du das wissen?, fragte er den Störenfried in seinem Kopf.
    Würde der Grotan leuchten, könnte sein Wesen nicht deutlicher zu erkennen sein.
    Ach, und warum ist mir das nicht aufgefallen?
    Ich nehme an, weil du in den letzten Jahren damit beschäftigt warst, den Gebrauch von Pfeil und Bogen einzuüben, während ich gelernt habe, der Natur zuzuhören.
    Twikus lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Der  Schlappschwanz aus den Träumen!, dachte er.  
    Von wegen Schlappschwanz! Wenn du nicht bald schießt, dann tu ich es.
    »Was ist los mit dir da oben?«, drang Falgons Stimme zu einem reichlich verwirrten jungen Mann hinauf.
    »Ich… äh…« Anstatt noch lange nach Worten zu suchen, spannte Twikus den Bogen. Er zielte gründlicher als sonst.
    Selbst eine so gerissene menschenjagende Kreatur wie das Leittier in den Büschen besaß keine Erfahrung mit Jägern wie diesem, der auf dem Felsen stand. Einem inneren Zwang folgend war der Grotan mit seinem Rudel hierher gekommen, um dieses Menschenkind zu finden. Auf der Suche nach dem Goldschopf hatte er seine Artgenossen gelehrt, wie man vor Geschossen aller Art in Deckung ging. Als sich daher jetzt ein Pfeil von der Sehne des Bogenschützen löste, blieb der Grotan ruhig stehen.
    E r wa rtete, bis ihm die eiserne Spitze ins rechte Auge drang. Als der Todesschrei des Leittieres erscholl, gerieten die
    verbliebenen elf Schweineluchse in Panik. Als hätte der Pfeil einen Faden durchtrennt, der ihre Blutgier festgehalten hatte, fiel diese nun von ihnen ab und hervor trat ihre angeborene Menschenfurcht. Verwirrt preschten die Tiere aus ihren Verstecken und flohen in den Wald.
    Twikus legte erneut an.
    Halt! , rief es in seinem Kopf.
    Er kniff die Augen zusammen, um die Stimme des Wahnsinns zu ignori e ren. Notfalls konnte er auch blind treffen. Lass die Schweineluchse leben! Sie werden nicht  zurückkommen, beharrte der Störenfried. Entnervt ließ Twikus den Bogen sinken.
    Die Anspannung fiel erst nach und nach von dem jungen Jäger ab. Er grinste. »Ein P r achtschuss , findes t d u nicht?«
    »Eher einer ins Blaue«, knurrte Falgon. Nach alter Gewohnheit hatte der Waldläufer damit

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