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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wurde ungnädig.
    »Nicht die Augen. Ich rede vom inneren Blick, von den Wahrnehmungen deines Geistes. Erforsche dich selbst, denn in den Falten deines Bewusstseins erkennst du den r ichtigen Weg.«
    »Mir ist jetzt nicht nach solchen Erkundungsgängen zumute, Kira. Bitte sage Plitsch und Platsch, sie sollen ihren Krebsen die sofortige Umkehr befehlen.«
    »Wenn’s geht, möglichst bald«, fügte Dormund mit zitternder
    Stimme hinzu. Er hatte gerade seinen Mantel ausgezogen.
    Ergil blickte an dem Schmied vorbei flussabwärts. Der Fendenspund hielt direkt auf eine senkrechte Felswand zu. Der Berg war bei weitem nicht so hoch wie der Keil, aber das spielte für das Gedeihen von Beklemmungen seitens seiner Betrachter eine eher untergeordnete Rolle.
    Denn der Fluss verschwand einfach in dem Massiv.
    Der Kopf des Prinzen kehrte zur Elvin zurück, die leise schwirrend hinter ihm in der Luft verharrte. »Bitte, Kira!«
    »Vertraust du mir nicht, mein Retter?« Sie klang enttäuscht.
    »Doch , aber…«
    »Aber was? Öffne die Augen deines Herzens!«
    Es kostete Ergil große Überwindung, jetzt, wo das Floß nur noch drei oder vier Bogenschuss weit von der Felswand entfernt war, ebenjene Sinne zu befragen, deren Antworten ihm bis je t zt nie wirklich gefallen hatten. Aber er war es seiner kleinen Freundin schuldig. Also senkte er die Lider und tauchte in die bisher so wenig erforschten Tiefen hinab, in denen angeblich Mirads ganzes Wesen verborgen lag.
    Bald sah er wieder den Fluss. Wie eine Schwalbe auf der  Jagd nach Insekten schien er dicht über das grünlich  leuchtende Band dahinzuschießen. Er konnte es kaum fassen. Vor dem Berg rauschten die Fluten über einen Absatz in eine gewaltige Höhle hinein. Ergils Geist wurde eins mit dem Wasser, eins mit der Strömung und ließ sich treiben, schneller als der Fluss ihn eigentlich tragen konnte. Aus dem riesigen Hohlraum wurde ein Tunnel, der sich, wohl gestaltet, durch finstere Tiefen wand, immer weiter, immer länger, bis er unversehens wieder ans Licht zurückkehrte. Plötzlich war nur noch Himmel da. Das Wasser stürzte in eine gischtumschäumte Tiefe. Es beruhigte sich, nur um sogleich wieder über eine Kante zu rollen. Dieses halsbrecherische Spiel wiederholte sich noch weitere zehn Male. Und dann e rblickte Torlunds Sohn, eingeschlossen von himmelhohen Bergen, eine sonnengelbe Stadt…
    »Schnell, wir müssen ins Wasser springen, bevor es zu spät ist!« Dormunds Stimme klang wie aus weiter Ferne. Aber sie war so voller Angst, so mit Panik angefüllt, dass sie das zauberhafte Bild von Seltensunds Häusermeer wie eine Seifenblase zerplatzen ließ.
    Ergil öffnete die Augen. »Nein!«
    »Warum nicht?«, fragte Falgon.
    »Weil er gerade unseren Kurs abgesteckt hat«, antwortete  Schekira lächelnd.
    »Wa s sol l da s heißen?«
    »De r …« Ergil blinzelte benommen. Was er da eben gesehen hatte, war wie ein Traum und dennoch wusste er, dass es weit mehr bedeutete. »Der Fluss verschwindet nicht für immer im Grotwall. Oberhalb der Katarakte tritt er wieder ins Freie und verbindet sich mit s e inem Bruder, dem Kandenblood.«
    »Bist du dir sicher? Vielleicht hat die Elvin dir nur etwas eingeredet, das du jetzt für die Wirklichkeit hältst, obwohl…«
    »Ich bin mir so sicher, wie du dir mit mir bist, Oheim.« Falgons Mund stand offen. Er sah Ergil betro f fen an.
     
    »Ich geh jetzt ins Wasser«, erklärte Dormund.
    Der Arm des Waffenmeisters schwenkte zur Seite und seine  Finger krallten sich in Dormunds Hemd. »Du bleibst.«
    »Un d wen n e r sic h irrt?«
    »Er hat mir eben glaubhaft versichert, dass er es nicht tut.«
    »Fü r dich vielleicht. Aber ich hänge an meinem Leben. Ich bin euch doch sowieso nur lästig. Warum seit ihr so erpicht darauf, ausgerechnet mit mir durch die Unterwelt zu fahren?«
    Falgons Blick löste sich von Ergils Gesicht und bohrte sich in die Augen des Schmieds. »Weil du Schmied bist. Niemand weiß so gut wie du ein Feuer zu entfachen.«  
    Der Augenblick des Abtauchens war das Schlimmste für  Dormund. Erst im letzten Moment wurde der Eingang in die  »Unterwelt«, wie er es genannt hatte, sichtbar. Das Treibgutschiff neigte sich nach vorn, weit genug, um die Pferde angstvoll wiehern zu lassen, aber dank der ausgleichenden Hebearbeit der Drachenkrebse so moderat, dass niemand über Bord ging.
    Der flache Spalt, den sie durchquerten, verwandelte sich im Zwielicht der Höhle in ein brodelndes Maul. Dunkelheit breitete sich wie ein

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